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Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Titel: Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wehrheim , Michael Gösele
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Augen der Bankmanager einen unentschuldbaren Tabubruch begangen. So etwas wollte und konnte keiner von der Führungsspitze dieses Geldinstitutes dulden. Ich erinnere mich noch gut, wie ein Vorstand meinen Kollegen Rudolf Schmenger anblaffte, ob er denn wisse, mit wem er sich am selben Abend zum Essen treffen würde? Mit dem Bundeskanzler! Mein Kollege reagierte ruhig und besonnen: »Dann richten Sie ihm mal schöne Grüße von der Steuerfahndung Frankfurt aus.« Der Topmanager konnte nicht glauben, dass seine potente Drohgebärde derart kläglich an einem »kleinen« deutschen Steuerfahnder verpuffen konnte.
    Auch hinter den Kulissen wütete ein Sturm ungeahnten Ausmaßes. Selbstverständlich konnte eine Aktion dieser Größenordnung vor den Medien nicht geheim gehalten werden. Binnen kürzester Zeit standen vor der Bankzentrale die Übertragungswagen sämtlicher großer TV- und Rundfunkanstalten. Die Frankfurter Rundschau kam noch am selben Tag mit einer Abendausgabe in den Handel, in der gesamten Republik lief die Berichterstattung zu diesem Thema auf Hochtouren. Um nicht noch mehr Image schädigende Bilder nach außen dringen zu lassen, konnten wir uns nach den ersten hitzigen Wortgefechten dann doch zügig mit der Bankführung darauf einigen, dass wir die sichergestellten Unterlagen zunächst zur weiteren Sichtung in der Bank behalten würden.
    Damit konnte aus Sicht der Bank immerhin verhindert werden, dass Dutzende von Steuerfahndern kistenweise Dokumente aus der Zentrale schleppten, die für alle sichtbar in gemieteten Lkws hätten abtransportiert werden müssen. Wir bekamen in dem Bankhaus Räume zugewiesen – hierfür wurden neue Schlösser an den Türen angebracht und die Schlüssel ausnahmslos an die Steuerfahndung übergeben. Zusätzlich wurden diese Türschlösser abends auch noch versiegelt. Wir konnten und wollten uns in dieser Situation keine Sicherheitslücken erlauben. Was sichergestellt wurde, musste sorgsam verwahrt werden. Dafür hatten wir alle in der Vergangenheit schon zu viele schlechte Erfahrungen gemacht.
    Mit jeder Stunde, die wir in der Bankzentrale durchsuchten, wuchsen die Berge der sichergestellten Dokumente. Wir waren erstaunt, wie viel Papier trotz einer damals bereits dominanten EDV noch in einer deutschen Großbank zu finden war. In Archiven, die leicht die Größe von Turnhallen erreichten, lagerten Millionen von Bankdokumenten. Wir wussten weder genau, wonach wir suchen mussten, noch konnten wir wissen, an welchen Stellen wir nachsehen sollten. Aber wir hatten Zeit.
    Uns war klar, dass der Schlüssel für unsere Ermittlungsarbeit in dem Pipeline-Konto liegen würde. Für das Strafverfahren waren allerdings auch Dienstanweisungen, Aktennotizen und Rundschreiben von allergrößter Bedeutung. Die Saldenliste des Bankerpressers verriet lediglich, dass rund 1600 Kunden des Kreditinstituts zu einem bestimmten Stichtag gewisse Geldsummen in Luxemburg angelegt hatten. Um diese Liste aber justiziabel dechiffrieren zu können, waren wir gezwungen, alle Buchungen dieses mysteriösen Pipeline-Kontos zu prüfen.
    Aus rund 700 Filialen der Bank lief bundesweit Tag für Tag eine Vielzahl von Buchungen auf das Transferkonto. Indem wir bei der Durchsuchung sämtliche Aufzeichnungen über diese Pipeline sicherstellen konnten, verschafften wir uns eine Grundlage, um in den folgenden Wochen, Monaten und Jahren in allen Filialen der Bank die legalen von den illegalen Geldbewegungen nach Luxemburg, der Schweiz und nach Gibraltar zu trennen. Aber noch waren die Durchsuchungen im vollen Gang, und fast im Minutentakt liefen bei mir neue Informationen, Hinweise und Berichte ein. Gleichzeitig stand ich als Leiter der Durchsuchungsaktion zusammen mit dem verantwortlichen Frankfurter Staatsanwalt in ständigen Verhandlungen mit Vorständen, leitenden Mitarbeitern und vor allem der Rechtsabteilung des Geldhauses. Während sich die Führung der Bank zunächst noch unkooperativ gab, trafen immer weitere verhängnisvolle Meldungen aus den bundesweit durchsuchten Filialen, Archiven und Bezirksdirektionen ein, die das Kreditinstitut gleichsam zwangen, in dieser Sache doch mitzuarbeiten.
    Im Laufe des Tages konnte man sich tatsächlich mit der Führungsspitze der Bank auf pragmatische Lösungen einigen. Den Verantwortlichen der Commerzbank war klar geworden, dass wir – ohne ihren Willen zur Kooperation – das Unternehmen über einen Zeitraum von mehreren Wochen empfindlich in seiner Arbeit stören würden. An

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