Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
aufgebracht.
Inzwischen war die Lösegeldforderung auf 6 Millionen angewachsen – der Unmut des Erpressers kostete richtig viel Geld. Die Bank ihrerseits erhöhte ihr Gegenangebot von einer Million Mark um 500 000 und bemerkte wohl nicht, dass ein Fall dieses Ausmaßes nicht dazu geeignet war, mit einem zu allem entschlossenen Erpresser Spielchen zu treiben. Der Vorstand geriet gleichzeitig in ein unkontrollierbares Dilemma: Die Erpressungen mussten irgendwie gestoppt werden, aber die gefährliche Kundendatei durfte unter keinen Umständen in die Hände der Justiz oder der Finanzbehörden gelangen. Und so schickte man schließlich einen Mitarbeiter für eine »fiktive« Fallbesprechung zum Bundeskriminalamt.
In der Zwischenzeit wurde munter weiterverhandelt, bis man schließlich am 28. Juli 1995 ein Inserat mit dem Text »Lux-Mittel am 31.7.1995 verfügbar« in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schaltete. Nachdem man in der Bank erfahren hatte, dass das informelle BKA-Gespräch dummerweise doch zu Ermittlungen von Interpol geführt hatte, glaubte man, den Erpresser festnehmen zu können, indem man die Auszahlung des Geldes auf den 31. Juli beschränkte. Der Mann mit den wertvollen Bankunterlagen verstand den Inhalt der Annonce jedoch falsch: Er ging davon aus, das Lösegeld stünde ab dem 31. Juli zur Verfügung und erschien am besagten 31. Juli nicht im Bregenzer Kreditinstitut.
Die BKA-Experten und ihre Luxemburger Kollegen hatten den Fall jedoch inzwischen gelöst. Ein technischer Fehler in der Londoner Fax-Mailbox brachte die Fahnder rasch auf die Spur von Robert T., der dann an seinem neuen Arbeitsplatz – in einer Bank in Frankfurt/Main – widerstandslos festgenommen werden konnte.
Der Jahrhundertfund
Anders als die Datendiebe heute wandte sich Robert T. mit seinem hochexplosiven Material nicht an die Finanzbehörden, sondern ging frontal gegen das Unternehmen vor – was ihm selbstverständlich eine Anklage wegen Erpressung einbrachte. Und so lag sein Fall bei einem Staatsanwalt, der die Strafsache gegen T. bearbeitete und zunächst nicht einschätzen konnte, welche Brisanz in den hierbei beschlagnahmten Ordnern steckte. Abzüglich der 200 Seiten, die der Erpresser an die Bank geschickt hatte, verblieben immerhin noch rund 340 Blatt mit den Daten von etwa 1600 Kunden. Als der besagte Staatsanwalt in der Kantine einen Kollegen traf, der für Wirtschaftsdelikte zuständig war, bat er diesen auf dem kleinen Dienstweg, einen kurzen Blick in die merkwürdigen Ordner zu werfen, die er nicht richtig einzuschätzen wusste. Und nur wenig später erhielt ich einen Anruf aus der Staatsanwaltschaft mit der Bitte, eine Einschätzung zu verdächtigem Material in einer Strafsache zu geben. Ein flüchtiger Blick reichte – der uns am Ende rund sechs Jahre harte Ermittlungsarbeit einbrachte.
Nach der ersten Sichtung war meinem Kollegen Rudolf Schmenger und mir auf dem Rückweg in unsere Dienststelle bereits bewusst, dass wir einen einzigartigen Fund gemacht hatten. Zum ersten Mal in unserer Karriere standen wir vor einer Liste mit mehreren hundert Steuerflüchtlingen. Wir hatten Namen und Luxemburger Kontostände zu einem bestimmten Fixtag – und doch hatten wir nichts. Die erste Euphorie verflog schnell, als uns klar wurde, dass auf dieser Liste keine einzige Adresse zu finden war. Selbst wenn wir die ganzen Müllers, Meiers und Schmidts gestrichen hätten, war uns bewusst, dass wir nur mit sehr viel Glück auf einen Vor- und einen Nachnamen stoßen würden, den es tatsächlich nur ein einziges Mal in Deutschland gibt. Kein Richter hätte uns für drei oder vier Menschen gleichen Namens einen Durchsuchungsbeschluss unterschrieben, in der Hoffnung, am Ende schon den Richtigen zu finden. Diese Kundenliste auf unserem Tisch barg ein schier unfassbares Steuernachzahlungsvolumen – wir wussten nur nicht, wie wir sie knacken konnten.
Nur eine Woche später erschien im »Spiegel« ein Artikel über unseren spektakulären Fund und löste bundesweit eine Welle von weiteren Veröffentlichungen zu diesem Thema aus, die uns nicht besser hätten zuarbeiten können. Nach einem Gespräch mit Robert T. im Untersuchungsgefängnis war ich zwar in den Besitz des sogenannten Ländercodes gelangt, der es uns ermöglichte, rund 70 Prozent der Namen als Bundesbürger zu identifizieren – Genaueres hatten wir aber zu jenem Zeitpunkt noch immer nicht in der Hand. Durch die massive mediale Aufbereitung dieses Themas jedoch gerieten
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