Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
zahlreiche Steuerflüchtlinge in Panik, weil sie sich selbst auf dieser Liste wähnten und deshalb zur letzten aller Rettungsmaßnahmen griffen: der Selbstanzeige nach § 371 der Abgabenordnung.
Nun hatten wir wenigstens einen Anfang. Die Maschinerie konnte anrollen, die üblichen Mechanismen wurden in Gang gesetzt: Kontaktaufnahme mit den jeweils für die selbstanzeigenden Steuerflüchtlinge zuständigen Finanzämtern, Abgleich der Daten von der Liste mit denen der Steuerakten, Befragung. Schon die ersten Befragungen ließen erkennen, dass wir es wohl mit einem »Strickmuster« zu tun hatten. Fast alle der von uns befragten Beschuldigten gaben an, sie seien anfangs von ihren Bankberatern in dieser Sache angesprochen worden. Man hätte ihnen empfohlen, das in Deutschland liegende Vermögen ins Ausland zu transferieren und großzügig angeboten, diese Abwicklung auch zu übernehmen. Interessanter Nebenaspekt bei diesen Gesprächen: Die Kunden, die wir in jener Zeit besuchen mussten, waren aufgebracht. Ein Bankberater hatte ihnen zur Steuerhinterziehung geraten, und nun stand aufgrund einer peinlichen Panne im Datenschutz des Geldinstitutes die Steuerfahndung vor der Tür und machte aus der ganzen Geschichte eine Strafsache. Wir konnten auf solche Befindlichkeiten naturgemäß keine Rücksicht nehmen. Doch mit Aussagen dieser Art bekamen wir die Informationen, die wir unbedingt haben wollten: Der Verdacht auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung vonseiten der Bank gewann immer mehr an Gestalt.
Wer zum Mittel der Selbstanzeige gegriffen hatte, war gezwungen, alles offenzulegen. Denn in jenen Fällen wurde zunächst einmal ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, das nur dann eingestellt werden konnte, wenn alle gesetzlichen Maßgaben erfüllt waren. Während ein Beschuldigter in einem herkömmlichen Steuerstrafverfahren die Aussage verweigern konnte, war er im Falle einer Selbstanzeige gezwungen, an der Aufklärung des Falles mitzuwirken.
Durch diese – gleichsam erzwungene – Kooperation wurde von Befragung zu Befragung immer deutlicher, dass hinter dieser ganzen Liste ein System stecken musste, zumal sich bei allen Fällen die gleiche Art und Weise zeigte, wie das Geld nach Luxemburg transferiert wurde: über ein bundesweit identisches Pipeline-Konto, von dessen Existenz fast jeder Bankmitarbeiter in jeder deutschen Filiale wusste. Mit dieser Information hatten wir die Bank im Grunde schon – wir mussten eigentlich nur noch zugreifen.
Die Commerzbank versuchte, die Verwendung der »geheimen« Bankunterlagen aus Luxemburg juristisch zu verhindern. Die Argumentation des Kreditinstitutes las sich vereinfacht dargestellt in etwa so: Die Kontenlisten, die bei der Verhaftung des Erpressers sichergestellt worden waren, gehörten der luxemburgischen CISAL und sollten weder bei dem Strafverfahren gegen Robert T. noch bei etwaigen Steuerermittlungen verwendet werden dürfen. Ein Oberlandesgericht und ein Finanzgericht schlossen sich der Argumentation des Bankhauses jedoch nicht an und erteilten uns bei den Ermittlungen freie Hand.
Zu jener Zeit ging vermutlich kein Bankvorstand ernsthaft davon aus, dass sich eine kleine Steuerfahndungsstelle tatsächlich an einem derart großen Finanzunternehmen die Finger verbrennen wollte. Was konnten denn schon ein paar Ermittler gegen eine deutsche Großbank ausrichten? Auch in unserer Dienststelle gab es diese Zweifel. Vielleicht sogar berechtigt. Natürlich war es kein Problem, mit einer kleinen Armee von Steuerfahndern aus dem gesamten Bundesgebiet in eine Großbank einzulaufen. Am Ende aber würde ein gutes Dutzend Frankfurter Fahnder übrig bleiben und alles auswerten müssen, was Hunderte von Kollegen gesammelt hatten. Im Jagdjargon würden diese Kollegen eine gigantische »Strecke« legen, die von uns hätte abgearbeitet werden müssen. Und das war in der Tat ein äußerst schwieriges Unterfangen.
Der Einmarsch
Die einhellige Meinung war die, dass wir uns mit dieser Aktion höchstwahrscheinlich verheben würden und dass man sich aus diesen Gründen schon mit uns arrangieren könnte. Gebt der Steuerfahndung ein bisschen was zu spielen und dann ist wieder Ruhe im Land, schien der Plan im Hintergrund zu lauten. Wir wollten tatsächlich spielen. Was man in Bankkreisen jedoch nicht wissen konnte: Wir waren auf ein ganz großes Turnier eingestellt – und wir wollten auf jeden Fall ins Finale.
Das konnten wir allerdings nur erreichen, wenn wir die bankinternen Aufzeichnungen zu dem
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