Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
allein von der Politik geplant wurde. Das konnte man durchaus hinterfragen, wenn man es denn wollte …
Wer nun schlussendlich diese Anweisung diktiert oder womöglich sogar selbst geschrieben hatte, was ich in den Positionen, in denen ich die Urheberschaft vermute, fast ausschließen würde, – wir werden es wohl nicht aufklären können. Die offizielle Begründung für die Anweisung lautete: Personalnot und Rationalisierung. Die Bankenermittlungen hätten zu viel Manpower gefordert, andere Fälle seien deswegen liegen geblieben. Das konnte man glauben, wenn man denn wollte.
Das Protokoll
Aus dem Protokoll einer Sachgebietsbesprechung vom 1. November 2001 war allerdings zu entnehmen, dass die Amtsanweisung möglicherweise doch von ganz oben diktiert worden sein könnte. In der Besprechung, an der auch der Amtsleiter des Finanzamtes Frankfurt am Main V teilgenommen hatte, wurden von den anwesenden Fahndern – so ist es in dem Protokoll nachzulesen – ein weiteres Mal Bedenken gegen die beschleunigte Abwicklung der Bankenverfahren vorgetragen. Der Amtsvorsteher, ein Leitender Regierungsdirektor, soll dazu erklärt haben:
» ... dass sowohl von der Abteilungsleiterebene der OFD (Oberfinanzdirektion) als auch vom HMdF (Hessisches Ministerium der Finanzen) erheblicher Druck auf das Finanzamt Frankfurt am Main V ausgeübt werde, die Banken- und Anlegerverfahren – wie auch immer – zum Abschluss zu bringen. Das Finanzamt Frankfurt am Main V steht im Blickfeld der vorgesetzten Behörden, und es müsse alles personell und organisatorisch Mögliche getan werden, hier eine schnellstmögliche Lösung zu finden.«
Den »erheblichen Druck« von oben versuchte später ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags aufzuklären. Wohl bemerkt: Er versuchte! Und dabei blieb es dann leider auch.
Der Journalist und Buchautor Hajo Schumacher schrieb in seinem Buch »Roland Koch. Verehrt und verachtet« (2004):
»Kochs uneingeschränkte Solidarität mit der Ökonomie, die dem Wähler ebenso verdächtig sein sollte wie eine große Gewerkschaftsnähe, sorgt bei manchen Wirtschaftsbossen für große Sympathie. Kaum ein Politiker in Deutschland hat einen so mächtigen Freundeskreis wie die Runde ›Wirtschaft für Koch‹. Anführer sind Commerzbankchef Müller und Nikolaus Schweikart, Vorstandsvorsitzender des Chemie-Multis Altana, ein Unternehmen der Quandt-Familie. ... Dieser Kreis umfasst 40 Bosse, meist aus der Frankfurter Geldwirtschaft, aus der Chemie und aus der Lebensmittelbranche. ... Man trifft sich mehrmals im Jahr, Koch lässt kein Treffen aus.«
Ob die von den Durchsuchungen durch die Frankfurter Steuerfahndung betroffenen Bankvorstände sich diesbezüglich nicht auch mit dem damaligen Ministerpräsidenten besprochen haben, wissen nur die beteiligten Personen selbst zu beantworten. Man würde so etwas selbstverständlich nie behaupten wollen.
Für uns stellte sich in den Tagen damals auch die Frage, wie sinnvoll es ist, dass die Steuerfahndungsstellen der Hoheit der einzelnen Bundesländer oblagen. Obwohl mir Politik eigentlich fern liegt, konnte ich mich in die Perspektive eines Landespolitikers einfühlen und fast schon Verständnis dafür aufbringen, dass er mit der aktuellen Situation nicht zufrieden war: Im Grunde verschwand jeder Euro, der von der hessischen Steuerfahndung ermittelt und zur Nachzahlung gebracht wurde, über den Länderfinanzausgleich in einem anderen Bundesland. Warum also sollte sich ein hessischer, ein bayerischer oder baden-württembergischer Finanzminister ernsthaft mit den »besten« Steuerzahlern des Landes anlegen – selbst, wenn es sich hierbei mitunter um die versiertesten Steuerhinterzieher handelte? Am Ende versickerte die durch viel Unbill und Ärger in Hessen erbrachte Mehrsteuer in einem anderen Bundesland und gefährdete möglicherweise sogar den Bankenstandort Frankfurt.
Es hätte eine einfache Lösung für diesen Missstand geben können: eine Bundessteuerfahndung, zentral in Berlin verwaltet, mit Außenstellen in den jeweiligen Bundesländern. Die Mehrsteuer wäre an den Bund gefallen und einigermaßen unabhängig von politischen Verstrickungen und lobbyistischen Verpflichtungen zu betrachten.
So aber waren die sogenannten Geberländer wie Hessen, Baden-Württemberg oder Bayern in der Pflicht: Die Finanzministerien mussten Fahndungsstellen unterhalten, Beamtengehälter bezahlen und sich den Unmut vieler einflussreicher Steuersünder anhören. Von
Weitere Kostenlose Bücher