Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
der eingebrachten Mehrsteuer indes sahen diese Länderfinanzminister vielfach keinen Cent. Aber, das war Politik, und die setzte eben andere Prioritäten. Manchmal leider solche, die mir höchst schleierhaft vorkamen oder die – wie man im Süden der Republik sagt – ein »Gschmäckle« hatten.
Doch wieder zurück: Der erste namhafte Kritiker, der Oberregierungsrat Gerhard S., war also rasch beiseite geräumt – an ihm wurde gleichsam ein Exempel statuiert. »Friendly Fire« würde das in der modernen Kriegsnomenklatur wohl heißen. Zum Leidwesen der Behördenleitung verstummten jedoch die kritischen Stimmen aus der Steuerfahndung zu der umstrittenen Amtsverfügung nach der Verbannung von Gerhard S. noch immer nicht. Weitere Steuerfahnder meldeten sich zu Wort, unter ihnen Rudolf Schmenger, mein langjähriger Partner in unzähligen Steuerstrafverfahren.
Zunächst einmal hatten die Kollegen Rudolf Schmenger und Marco Wehner mit mir zusammen am 25. Oktober 2001 eine Dienstreise nach Bochum angetreten. Wir hatten ein Treffen mit Margrit Lichtinghagen, der Staatsanwältin, die im Februar 2008 ins Rampenlicht rückte, weil sie den damaligen Chef der Deutschen Post AG, Klaus Zumwinkel, wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung verhaften ließ. Im Oktober 2001 ging es uns um die sogenannte Batliner-CD, die von der engagierten Juristin und den Steuerfahndungsstellen in Bochum und Düsseldorf ausgewertet wurde. Unser Ziel war zu jener Zeit ein Abgleich mit Frankfurter Bankenfällen, bei denen man im Laufe der Ermittlungen auch auf Verbindungen nach Liechtenstein gestoßen war. In dem Gespräch mit der Staatsanwältin kamen wir überein, die Batliner-CD mit Informationen über Steuerhinterzieher aus der gesamten Republik auf unsere Frankfurter Fälle hin abzugleichen.
Die Zusammenarbeit kam jedoch leider nicht zustande, da diese Kooperation wenig später von einem Vorgesetzten im Frankfurter Finanzamt untersagt wurde. Wie sich später noch herausstellen sollte, wurde unter anderem dieses dienstliche Treffen Gegenstand einer disziplinarischen Ermittlung gegen den Amtsrat Rudolf Schmenger.
Aber so weit war es zu jenem Zeitpunkt noch nicht. Der Steuerfahnder Schmenger erhielt zunächst – nur sechs Tage nach seiner Unterredung mit der Staatsanwältin Lichtinghagen – zum ersten Mal in seiner langjährigen Karriere eine negative dienstliche Beurteilung ausgehändigt. Der Mann, der bis dahin durch seine hervorragenden Qualitäten als Steuerfahnder aufgefallen war, entwickelte sich in den Augen seiner Vorgesetzten – gleichsam über Nacht – zu einem schlechten Beamten. Eigentlich konnte man sich denken, was hinter diesem Warnschuss steckte. Nur keiner konnte ahnen, was noch alles folgen würde.
Im Mai 2002 bekam das Commerzbankteam eine neue Sachgebietsleiterin – der ehemalige Koordinator Gerhard S. sah sich ja zwangsweise in Darmstadt vor größere Herausforderungen gestellt: im Bereich Veranlagung Einkommenssteuer. Für einen Mann, der Untersuchungen gegen deutsche Großbanken geleitet hatte, eine beispiellose Demütigung.
Die neue Sachgebietsleiterin untersagte ihren Steuerfahndern zunächst, ohne ihre Einwilligung mit Staatsanwälten zu sprechen. Amtsrat Schmenger, zu jener Zeit Anfang 40 und seit fast 25 Jahren im Dienst als Beamter – davon elf Jahre bei der Frankfurter Steuerfahndung, mag diese Anweisung zur Kenntnis genommen haben, er wusste aber auch, dass sie in der Praxis nicht umzusetzen war. Was hätte ein Steuerfahnder, der an der Seite eines Staatsanwaltes eine Durchsuchung erledigte, vor Ort tun sollen? Sich die Ohren zuhalten, wenn ihn ein Staatsanwalt – der Ermittlungsleiter! – angesprochen hätte? Ihm eine Antwort verweigern? Wäre nicht schon der bloße Hinweis, dass er nicht befugt ist, mit dem Anklagevertreter zu sprechen, ein Verstoß gegen diese Anordnung gewesen? Eine absurde Situation.
Der Steuerfahnder Schmenger hatte sich – wie die meisten seiner Kollegen – noch immer nicht von der ominösen Amtsverfügung 2001/18 erholt. Einem korrekten Beamten wie ihm bereitete es Sorge, dass er mit dieser Amtsverfügung möglicherweise zu einer Strafvereitelung im Amt genötigt wurde. Rudolf Schmenger verrichtete seinen Job nach Maßstäben, die eine Demokratie ihren Beamten vorgab. Er glaubte daran, der Steuergerechtigkeit zu dienen und dadurch seinem Staat gewissermaßen dabei zu helfen, über die ihm nach dem Gesetz zustehenden notwendigen Mittel zu verfügen.
Im Jahr 2008 schätzte
Weitere Kostenlose Bücher