Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
jungen Kollegen, den der erfahrene Steuerfahnder Rudolf Schmenger ausgebildet hatte. Wehner, der den vorliegenden Fall selbstverständlich auch mit seinem »Ausbilder« Schmenger durchgesprochen hatte, kam – wie andere Kollegen auch – zu dem Ergebnis, dass man gegen den Frankfurter Großunternehmer wohl nichts weiter unternehmen könne, da aus seiner Sicht die vorgeworfenen Hinterziehungen bereits verjährt waren.
Auf diese Problematik wurde Rudolf Schmenger auch von dem Staatsanwalt angesprochen, mit dem er – wie es in der disziplinarrechtlichen Vorermittlung zu lesen war – nicht hätte sprechen dürfen. Schmenger aber verwies den Staatsanwalt bei dieser Unterhaltung tatsächlich an seinen Kollegen Wehner und konnte den Vorwurf aus dem Schreiben so auch entkräften.
Was jedoch viel schwerer wog: Die Sachgebietsleiterin teilte die Auffassung Wehners nicht, dass die untersuchten Hinterziehungen verjährt waren und untersagte dem Kollegen Wehner fortan, über diesen Fall mit anderen Fahndern zu sprechen. Und: Sie verbot ihm, den Staatsanwalt auf die mutmaßliche Verjährung hinzuweisen.
Es war nun nicht gerade so, dass Steuerfahnder von einem blindwütigen Aufklärungsbegehren besessen waren, aber – man konnte das nun als übereifriges Beamtentum belächeln – wir waren bei der Aufklärung von Steuerhinterziehungen stets bemüht, die Angelegenheiten absolut korrekt und sportlich anzugehen. Und wenn – wie in dem Fall des Großunternehmers – eben herauskam, dass die Geschehnisse leider verjährt waren: Pech! So war das nun mal in einem sportlichen Wettkampf. Wenn man auf dem Platz nicht gewinnen konnte, sollte man es nicht nachträglich am grünen Tisch versuchen. Fairplay, auch wenn es – wie in diesem Fall – am Ende nur an den Verjährungsfristen scheiterte.
So dachte auch Marco Wehner. Nur, er durfte nicht. Das eingeleitete Verfahren wurde – trotz Verjährung – gegen Zahlung einer hohen Auflage, die der Unternehmer zu begleichen hatte, eingestellt. Keinem, weder dem Staatsanwalt noch dem Richter oder den Verteidigern, war aufgefallen, dass etwas geahndet wurde, was aufgrund der Verjährung nicht hätte verfolgt werden dürfen. Und Marco Wehner musste schweigen. Das Unternehmen musste im Sommer 2006 schließlich Insolvenz anmelden – unter Umständen, nachdem durch die Untersuchungen und Anschuldigungen einige Bankhäuser ihre Kreditlinien für das Unternehmen gestrichen hatten. Vielleicht wäre das Unternehmen auch ohne dieses Verfahren dem Tod geweiht gewesen – man wird es nicht mehr prüfen können. Aber eines war klar: Das war schmutzig und – vorsichtig ausgedrückt – am Rande der Legalität.
Doch zurück zu Rudolf Schmenger: Sein Rechtsbeistand bezog Stellung gegen die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen. Die für Außenstehende geradezu lächerlich wirkenden Vorwürfe waren vergleichsweise einfach zu entkräften. Die Gespräche mit dem Staatsanwalt erfüllten natürlich nicht den Tatbestand eines Dienstvergehens, das Ausfüllen des Wochenplans war in einem Kästchen mit – wie der Verteidiger Schmengers nachgemessen hatte – 1,2 x 2,7 Zentimetern Größe kaum in epischer Breite möglich und sein angeblich 55-minütiges Fernbleiben vom Dienst konnte durch einen beweisbaren Außeneinsatz erklärt werden. Der Widerspruch gegen das disziplinarrechtliche Schreiben schien die Behörde in Zugzwang zu bringen.
Von langer Hand
Was Schmenger zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Der Vorsteher des Finanzamtes Frankfurt am Main V wandte sich bereits am 11. November 2002 – also elf Tage, bevor der Beamte disziplinarrechtlich belangt wurde, und zehn Tage, bevor er angeblich für 55 Minuten unentschuldigt gefehlt hatte, in einem Brief an die Oberfinanzdirektion. Der Inhalt dieses Schreibens war brisant:
»Die personell schwierige Situation in der Steufa meines Amtes sind ebenso bekannt wie die schwierige Situation der SGL/in [Sachgebietsleiterin] Steufa und des HSGL [Hauptsachgebietsleiter) Steufa hinsichtlich der Durchsetzung ihrer und meiner Dienst- und Fachaufsicht ...
Die Verwaltung muss daher in der Personalangelegenheit Schmenger ... eine Lösung finden, die der engagierten SGL/in Steufa, dem HSGL Steufa und mir als Finanzvorsteher den Rücken stärkt. Außerdem sollten die von einer zu findenden Lösung ausgehenden Signale in den Bereich der Fahnder/innen nicht unterschätzt werden. ...«
Übersetzt hieß das: An Rudolf Schmenger musste dringend ein Exempel statuiert
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