Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
für die Bankenfälle arbeitete, ein Beamter mit mehr als 20 Dienstjahren, wurde nur wenige Tage später in das Finanzamt Darmstadt versetzt – in den Bereich Veranlagung Einkommenssteuer. Offizielle Begründung: Er gehöre zum Kreis angehender Führungskräfte und müsse in mehreren Bereichen der Finanzverwaltung seine Erfahrungen sammeln.
Der Personalrat wandte sich daraufhin direkt – schriftlich – an den hessischen Finanzminister, Karlheinz Weimar von der CDU. Im Schreiben vom 3. Dezember 2001 an den »Sehr geehrten Herrn Staatsminister« ist zu lesen, ›... dass für die Abordnung andere Gründe maßgebend waren.‹ Im folgenden Absatz bringt der Personalrat die Causa Gerhard S. auf den Punkt:
»Unabhängig von zahlreichen Problemen in der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Frankfurt am Main V steht nach Auffassung des Personalrates die Abordnung im Zusammenhang mit der von Herrn S. geäußerten Bedenken gegen die Bearbeitung von sogenannten Bankfällen nach einer Amtsverfügung vom 30 08.2001. Herr S. hat am 14.09.2001 gegenüber dem Finanzamtsvorsteher des Finanzamts Frankfurt am Main V seine rechtlichen und tatsächlichen Bedenken in einem Schreiben formuliert. ... Hierzu ist anzumerken, dass die Rechtsauffassung von Herrn S. von der überwiegenden Mehrheit der Mitarbeiter der Steuerfahndungsstelle geteilt wird. Auch ein Teil der Sachgebietsleiter der Steuerfahndungsstelle dieses Hauses ist seiner Meinung.
Der örtliche Personalrat hat in seiner Sitzung am 30.10.2001 gegenüber dem Vorsteher und des ständigen Vertreters seinen Protest hinsichtlich der Abordnung mündlich erklärt. In der gleichen Sitzung hat der Personalrat beschlossen, Sie als obersten Dienstherrn zu informieren und gegen eine solche Maßnahme, die auf einen bedenklichen Führungsstil gegenüber einem kritischen Beamten hinweist, zu protestieren.«
Der oberste Dienstherr, Staatsminister Weimar, reagierte selbstverständlich nicht persönlich. Er ließ am 21. Februar 2002 antworten, und zwar einen Staatssekretär. Und versehentlich – oder absichtlich – in verblüffender, geradezu entlarvender Offenheit:
»Es trifft zu, dass es hinsichtlich der Bearbeitung von Steuerfahndungsfällen im Finanzamt Frankfurt am Main V zwischen Mitarbeitern dieses Bereichs und der Amtsleitung zu Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Die Art und Weise, in der sich Herr S. in der Sache eingebracht hat, war dazu geeignet, das beiderseitige Vertrauensverhältnis nachhaltig zu beeinträchtigen. Unter dieser Voraussetzung bestand Grund zur Annahme, dass die Basis für eine erfolgreiche weitere Zusammenarbeit mit der Amtsleitung nicht mehr gewährleistet war.«
Die Wahrnehmung seiner Pflichten als Beamter musste dieser hervorragende Fachmann bitter bezahlen. Das jähe Ende einer Karriere. Der erste Kopf, der in dieser Angelegenheit rollen musste.
Die meisten meiner Kollegen deuteten die Vorfälle um den Oberregierungsrat S. so, dass die Remonstration in der Hessischen Finanzverwaltung nicht zu einer sachlichen Erörterung hinsichtlich der Sachlage, sondern zu einer »Strafversetzung« geführt hat, die damit begründet wurde, dass der Oberregierungsrat, der mit 20 Jahren Diensterfahrung aufwarten konnte, Kenntnisse in einem etwa 30 Kilometer entfernten Finanzamt sammeln sollte. Und es stellte sich die Frage: Wenn so etwas mit einer remonstrierenden Führungskraft geschah – wie würde es dann einem »einfachen« Sachbearbeiter ergehen?
Auch der für die Bankenermittlungen zuständige Staatsanwalt zeigte sich ob dieser Anweisung zutiefst bestürzt – und vor allem verärgert. Am 12. September 2001 schrieb er einen Brief an den Leiter des Finanzamtes Frankfurt V:
»... Ferner weise ich darauf hin, dass die Beurteilung eines Anfangsverdachtes und der Verjährungsfrage in den beschriebenen Verfahren allein auf der Ebene des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft erfolgt. ...«
Eine schallende Ohrfeige, die aber offenbar keinem wehtat. Die Rolle der Steuerfahndung im Dickicht der Behörden ist gleichsam undurchsichtig und recht vage definiert. Zum einen arbeiteten die Fahnder als Ermittler für die Staatsanwaltschaft, zum anderen waren sie selbstverständlich als Teil des Finanzamtes ihrer Behördenleitung, der Oberfinanzdirektion und letztlich auch dem Finanzministerium unterstellt. In der behördlichen Hierarchieleiter traf man also schon sehr früh auf Politiker, oder zumindest der Politik sehr nahestehende Beamte, deren Karriere
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