Inside WikiLeaks
Konferenzen an, um seine Reden zu schreiben. Sie sollte es auch sein, die später, nach dem Austritt von mir und anderen WikiLeaks-Leuten, in aller Welt herumreiste, um zwischen uns und Julian zu vermitteln und zu bitten, das Projekt nicht durch öffentliche Kritik zu beschädigen.
Die Nanny ist eine alte Bekanntes von Julian, eine freundliche, sehr energische Person um die Vierzig. Sie hatte für Julian einen wichtigen Vorteil: Sie würde öffentlich nie über ihren Kontakt zu WL reden wollen.
Die Nanny jedenfalls hat die Nerven unseres amerikanischen Unterstützers dann vollständig ruiniert, zumal die Zeitzonen dieser beiden auf eine Weise inkompatibel zueinander waren, dass Gespräche für den einen jeweils nur in der Tiefschlafphase des anderen möglich waren. Außerdem war der arme Mann nicht willens, die ganze Problematik noch einmal von vorne zu erläutern.
Letztlich geholfen hat uns dann eine Journalistin, die ich von der New York Times kannte. In der vorletzten Septemberwoche fragte sie auf dem direkten Dienstweg bei PayPal nach, wieso denn ein von der New York Times unterstütztes Projekt gesperrt sei. Simsalabim! Kurz darauf war das Konto frei.
Jetzt ging der Streit erst richtig los. Mit einem Schlag war viel Geld da. Julian und ich hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was wir damit anfangen sollten.
Ich wollte vor allem Hardware anschaffen, nicht nur, weil das mein Spezialgebiet war, sondern weil unsere Infrastruktur das dringend nötig hatte. Wir riskierten Ausfälle und Sicherheitsrisiken und machten es unseren Gegnern eigentlich viel zu leicht. Solange alles auf einem einzigen Server lief, hätte man sehr leicht in das Wiki einbrechen können. Das war vielleicht nicht weiter schlimm, doch auf dem gleichen Server lagen auch die Dokumente.
Julian hatte andere Pläne. Er sprach davon, eigens Firmen zu gründen, um damit unsere Spendengelder besser gegen Zugriffe von außen abzusichern. Er behauptete, auf uns kämen allein für die Registrierung in den USA Anwaltskosten von 15 000 Dollar zu.
Julian hatte auch Kontakt zu einigen Organisationen, die als fiscal sponsors auftreten wollten. Das waren gemeinnützige Organisationen, an die amerikanische Spender Geld hätten überweisen können, um Steuern zu sparen. Ich weiß nicht, mit welchen Leuten Julian sich damals austauschte, welche Filme er guckte – oder noch wahrscheinlicher: welche Dokumente er auf unseren Seiten zu intensiv gelesen hatte –, jedenfalls war von front companies, international law und offshore die Rede. Ich sah ihn schon vor mir, am abhörsicheren Cryptophone, die Hände lässig in die Hüfte gestützt, den damals noch langen weißen Pony mit Gel nach hinten gekämmt.
»Hallo, Tokio, New York, Honolulu? Ja, transferieren Sie bitte drei Millionen auf die Virgin Islands. Ja, danke, sehr freundlich. Und bitte nicht vergessen, die Verträge nach Abschluss der Transaktion zu vernichten. Verbrennen bitte. Und die Asche fegen Sie zusammen und schlucken Sie herunter, ja? Sie wissen ja, ich kann Krümel nicht ausstehen …«
In welchen Phantasien Julian womöglich unterwegs war – das entsprach eben seinem Traum von der unangreifbaren Organisation, von einem internationalen Geflecht aus Firmen und dem Nimbus des Unantastbaren, der weltweit mit Finanzen und Firmen jonglierte und von niemandem mehr zu stoppen war. Doch so unsexy das auch klang, wir hätten erst einmal ein paar ganz einfache, praktische Dinge gebraucht.
Meine damalige Freundin hat für uns Cryptophone besorgt. Sie hat uns damals auf einen Schlag sehr viel Geld vorgestreckt, und ich habe noch heute ein schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke, wie ich sie in unserer Beziehung damals so langsam habe aushungern lassen.
Als wir Monate später in Island waren, habe ich ganz zufällig mitbekommen, dass Julian versuchte, eines dieser sehr teuren Telefone an eine unserer Bekannten zu verkaufen – für 1200 Euro. Zum einen gehörten ihm die Telefone gar nicht, und dann wollte er sie auch noch für einen viel zu hohen Preis an jemanden weiterverkaufen, der dafür überhaupt kein Geld hatte. Daraufhin hat Julian das Telefon an einen 17-Jährigen verschenkt, den er damals immer mehr bei WL einbinden wollte. Julian konnte in einem Augenblick großzügig sein und in der nächsten Sekunde wieder sehr geizig.
Bereits im April 2008 hatten wir ein Konto bei Moneybookers eröffnet, über das vor allem Spender aus den USA ihr Geld online an uns überweisen konnten.
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