Inside WikiLeaks
später vorwerfen, ich betriebe ein Machtspiel. Er irrte. Ich habe kein Interesse an Macht und kein Problem, Macht abzugeben, wenn es der Sache nützt. Ganz im Gegenteil. Warum sollte ich mir unermesslich viel Verantwortung auf die Schultern laden, wenn es gemeinsam viel besser ging? Ich bin ein Teamplayer, kein einsamer Wolf wie Julian. Ich kann anerkennen, wenn andere Leute bestimmte Sachen besser können als ich. Davon gibt es nämlich verdammt viele.
WikiLeaks und das Geld
Erfolgreiche Leaks, über die ausgiebig in den Medien berichtet worden war, machten sich direkt auf unseren Konten bemerkbar. Schon 2008 gab es drei verschiedene PayPal-Konten, über die uns Spender Geld zukommen lassen konnten. Auf das wichtigste gingen etwa nach dem Leak zu Julius Bär am 1. März 2008 1900 Euro ein, am 3. März waren es bereits 3700 Euro und bis zum 11. März hatten sich 5000 Euro angesammelt. Im Juni 2009 wurde das damals einzig aktive PayPal-Konto eingefroren: Es konnten zwar noch Gelder eingezahlt werden, wir konnten indes nichts mehr abheben.
Wir hatten uns monatelang nicht mehr um dieses Konto gekümmert. Erst die Nachricht von PayPal über die Sperrung veranlasste uns, einen Blick auf die Eingänge zu werfen.
»Halt dich fest«, schrieb ich Julian im August 2009. »Da liegen fast 35 000 Dollar drauf.«
Ich wollte das Geld unbedingt loseisen. Für Julian hatte das keine Priorität. Er sah nicht ein, warum wir uns jetzt damit herumärgern sollten.
PayPal verlangte ein Dokument von uns. Wir hatten uns dort als Non-Profit-Unternehmen angemeldet, diesen Status aber offiziell nie beantragt. »501c3« hieß das im amerikanischen Behördenjargon.
Als ich diesen Begriff bei Google eingab, stellte sich heraus, dass wir nicht die erste gemeinnützige Einrichtung waren, die dieses Problem hatte. PayPal hatte seinen Kunden schon wiederholt Ärger deswegen gemacht. Wir ließen uns daraufhin als Unternehmen registrieren. Das kostete zwar Gebühren, ersparte uns aber den lästigen Verwaltungsaufwand. Mit PayPal nur ein winziges Komma im Vertrag zu ändern kostete einfach zu viel Lebenszeit.
Ich führte sicherlich an die dreißig Telefonate mit der Hotline, schickte Mails hin und her und kam zu dem Ergebnis: PayPal war kein Unternehmen mit lebenden Mitarbeitern, sondern eine Maschine. Zwar bekam ich, wenn ich nur lange genug in der Hotline wartete, auch irgendwann einen echten Menschen zu sprechen. Aber die indischen Subunternehmer oder wer auch immer diesen Job für PayPal übernommen hatte, konnten einem am Ende auch nicht viel mehr sagen, als dass man doch bitte das Online-Hilfssystem benutzen solle.
Ich glaube, die PayPal-Mitarbeiter waren ihrer eigenen Software genauso ausgeliefert wie ihre Kunden. Die Kunst, dabei die richtigen Felder des Systems auszufüllen, blieb für mich unzugängliches Geheimwissen.
Nachdem wir das Konto auf ein Profit-Konto umgeschrieben und in die Zahlung der Gebühren eingewilligt hatten, belohnte uns das System kurzfristig mit einer Freischaltung. Sie währte ungefähr einen Tag. Dann ging der ganze Wahnsinn von vorne los: Wieder fehlte eine Angabe, wieder war für mich nicht zu erkennen, wo man diese nachzureichen hatte, wieder kämpfte ich mit dem Online-Hilfssystem.
Es gab noch ein weiteres Problem bei diesen Streitigkeiten, denn nicht nur wir waren von dem Ärger betroffen. Zu diesem Zeitpunkt wurden alle unsere Konten in unserem Auftrag von freiwilligen Unterstützern unterhalten. Das gesperrte PayPal-Konto etwa hatte ein amerikanischer Journalist für uns angemeldet. Dieser Kontaktmann war ein Endfünfziger aus dem Mittleren Westen – ein bodenständiger Typ, der als Reporter bei einer Lokalzeitung angestellt war. Vor Monaten hatte er uns gefragt, ob er etwas für uns tun könne. Und weil er nicht von sich aus angeboten hatte, sich um das Geld zu kümmern, gaben wir ihm eben genau diesen Job. Unsere Logik war damals, wer sich nicht für Konten interessierte, war bestens geeignet, sie für uns zu verwalten. Wer sich nicht für seinen Einfluss auf die öffentliche Meinung interessierte, managte bei uns den Chat – und so weiter. Unser Freiwilliger war völlig überfordert und hatte keine Ahnung, was er tun sollte und wo das Problem genau lag.
Im September 2009 hat Julian dann die Nanny eingeschaltet. Die Nanny kam immer dann ins Spiel, wenn es einen Job zu erledigen galt, um den Julian sich nicht selbst kümmern wollte oder konnte. Sie reiste auch gelegentlich kurz vor
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