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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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Spaghetti sich in immer breiteren Ringen um die Gabel schlangen.
    »Und bei euch alles gut so weit?«, fragte mich Goetz.
    Ich nahm einen Happs und nickte. Die beiden Spiegel -Journalisten sahen sehr zufrieden aus. Ich hatte irgendwie ein schlechtes Gefühl. Der Hunger verging mir vollständig, als die beiden fragten, wie weit wir denn mit dem »Harm-Minimization-Prozess« seien. »Ist denn die Redigatur schon fertig?«
    Ich guckte etwas dumm. Versuchte dann meine Miene zu kontrollieren. Ja, es wäre doch mit Julian abgesprochen, dass wir die Namen aus den Dokumenten entfernten, erinnerte mich Rosenbach. Das wäre auch die Bedingung, von allen drei Medien gefordert und unbedingt nötig, bevor man mit dem Material online gehen könnte.
    Ich wusste davon nichts. Die Namen von unschuldig Betroffenen sollten herausgelöscht werden, das klang logisch, ich war sofort ihrer Meinung. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt immer mal wieder das Problem, dass Julian mich in relevante Informationen nicht gescheit einweihte, oder zu spät. Das brachte mich manchmal vor Journalisten in eine schwierige Lage. Gut möglich, dass hier auch diesmal schon die ganze Erklärung lag.
    Ich raste nach Hause und meldete mich sofort bei unseren Technikern und deren Unterstützern. Die erstickten zwar gerade in Arbeit, aber dass die Dokumente noch redigiert werden mussten, hörten sie das erste Mal.
    Jetzt steckten wir in der Zwickmühle. Die Beiträge waren so gut wie fertig geschrieben, die Druckerpressen liefen sich bereits warm: Es war zu spät, die Produktionsprozesse noch aufzuhalten. Vor allem den Spiegel hätte es Zigtausende Euro gekostet, den von langer Hand geplanten Erscheinungstermin zu kippen.
    Ich ging in den Chat, Julian war da, ich fragte ihn: »Hey, was hat es auf sich mit der Schadensbegrenzung?«
    Schwupps, war Julian verschwunden. Und sollte den ganzen Tag über nicht mehr auftauchen.
    Bei allen anderen liefen derweil die Drähte heiß. Wir versuchten zu stemmen, was immer möglich war. Ich glaube, ich habe in diesen fünf Tagen, von Mittwoch bis Montag, nur zehn oder zwölf Stunden geschlafen, wenn überhaupt. Anke lebte mit einem Gespenst zusammen.
    Ein Blick auf die Dokumente zeigte: Selbst wenn man alle Namen herausstrich, blieben immer noch die Zusammenhänge: Auch Kontexte machten die Menschen identifizierbar. Wenn in einem Report etwa stand, dass von den drei Afghanen, die am 25. März 2009 im Dorf XY gefangengenommen wurden, einer Informationen an die Amerikaner gegeben hatte, so machte das den regionalen Taliban die Sache immer noch zu einfach, diese Person zu finden und zu bestrafen.
    90 000 Dokumente! Es waren schlicht zu viele. Ich starrte auf meinen Rechner und wusste nicht weiter. Als Rohtext wäre das niemals zu schaffen. Wir brauchten eine Web-Oberfläche, die das Redigieren erleichterte. Unsere Techniker entwickelten später ein Programm, mit dessen Hilfe freiwillige Unterstützer über eine sichere Verbindung auf Dokumente zugreifen konnten, um sie zu bearbeiten oder Namen unkenntlich zu machen. Für die aktuelle Publikation war es jedoch zu spät.
    Die Medien gaben uns dann den entscheidenden Hinweis: Wir sollten 14 000 der 90 000 Dokumente heraussortieren und bis auf Weiteres zurückhalten. Dabei handelte es sich um die sogenannten Threat Reports . In diesen Reports waren die Berichte von Einheimischen festgehalten, die als Informanten des US- Militärs gedient und die Amerikaner beispielsweise vor einem geplanten Anschlag oder einem neuen Waffenlager gewarnt hatten. Die Informanten waren darin namentlich benannt und wären womöglich eine leichte Beute gewesen für Racheaktionen der Taliban.
    In den restlichen 76 000 Einträgen tauchten viel weniger Namen auf. Verschiedene Medien haben das später überprüft und nur noch an die einhundert Namen gefunden.
    Wir arbeiteten auf Hochtouren, als Julian am nächsten Nachmittag auf einmal wieder im Chat auftauchte. Er hätte uns das »heute noch sagen wollen mit den Namen«, meinte er. Außerdem präsentierte er uns eine umfassende To-do-Liste:
    J: 1. the urls need to be standardized tomorrow. the naming has been standardized. »kabul war dairies« and »baghdad war dairies«
    J: 2. afg needs to be checked for innocent informer identification. These are mostly in the threat reports. its quite a bit of work to go through them
    J: 3. high level overview and press release need to be done
    J: 3.5. our own internal coms must be standardized. sat pagers deployed if

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