Inside WikiLeaks
aufgemacht hatte und den Medien das weitere Material gezeigt hatte. Das band uns an die vorhandenen Partner. Unser Plan, Herr des Verfahrens zu bleiben, geriet darüber zur Farce.
Die New York Times zum Beispiel hatte ihren Beitrag nicht zu uns verlinkt, vermutlich aus Sorge, sich durch diesen Link in einen Konflikt mit dem Gesetz zu bringen. Sie hatte sich aber bereits das Irak-Material kopiert. Es wäre schwer möglich gewesen, bei der nächsten Geschichte ohne sie zu publizieren.
Nun hatte die Washington Post in den Wochen darauf eine sehr große Geschichte gemacht – »Das geheime Amerika« –, worin die Hintergründe der Waffen- und Rüstungsindustrie offengelegt wurden. Die Berichte führten den Lesern sehr gut vor Augen, welches gewaltige Wachstum dieser Branche in der Folge des Kampfes gegen den Terror beschert gewesen ist. Ihre Information war ausgezeichnet, ich weiß nicht, woher die Washington Post sie hatte, aber die ganze Berichterstattung zusammen mit den Online-Dokumenten und Karten war eine beeindruckende Leistung, und zwar gestemmt aus der eigenen Redaktion heraus. Als die Washington Post mich damals fragte, ob sie nicht Zugriff bekommen könnte auf die fehlenden 14 000 Dokumente, hätte ich das für eine sehr sinnvolle Zusammenarbeit gehalten. Ich hätte ihre gute Arbeit gerne mit der Weitergabe der Dokumente honoriert. Aber Julian unterband den Deal: »Wir haben mit den anderen drei schon Verabredungen getroffen, die kann man nicht mehr unterlaufen«, erklärte er mir.
Heute ärgere ich mich, nicht einfach gehandelt zu haben, um meinerseits Tatsachen zu schaffen. Für Julian galten doch diese Kategorien wie Verabredungen und Verträge ohnehin wenig. Wie oft hat er mir gesagt, dass es darum ginge, sich nicht von den Vorstellungen anderer irritieren zu lassen, sondern selbst aktiv an der Wirklichkeit mitzukonstruieren. Und er sollte vermeintliche Exklusiv-Versprechen mit den Medien ja später selbst neu definieren, unter anderem gab er die Afghanistan-Dokumente entgegen allen Abmachungen auch an Channel 4 .
Auf der anderen Seite wollte ich das Ansehen von WikiLeaks nicht beschädigen, indem ich uns als Vertragspartner unzuverlässig aussehen ließe. Ich steckte in dem doppelten Dilemma desjenigen fest, der sich selbst an Regeln hält, während er mit jemandem umzugehen hat, der Regeln vor allem dann als Argument verwendet, wenn sie ihm in den eigenen Kram passen.
Unsere eigenen Ansprüche, vorhandenes Material sofort zu veröffentlichen und unabhängig in den Entscheidungen zu bleiben, waren nur noch ein Witz. Und die Medien hatten uns genau da, wo sie uns haben wollten: bei Fuß. Sie konnten ihre Storys exklusiv verwerten, während uns die Hände gebunden waren.
Unsere Techniker entwickelten innerhalb kürzester Zeit eine ausgeklügelte Software, mit deren Hilfe wir einen großen Kreis von Helfern nach dem »Freunde von Freunden«-Prinzip in den Prozess des Redigierens einbanden. Jeder konnte über ein Web-Frontend bloß auf ein kleines Arbeitspaket zugreifen und bekam jeweils nur einen Ausschnitt des kompletten Datensatzes zu sehen. So konnten gleichzeitig hunderte Freiwillige die Dokumente sichten und bearbeiten. Pro Dokument gab es mindestens zwei Bearbeiter, und jede Änderung wurde protokolliert. Alles klappte einwandfrei, und schnell waren die verbleibenden 14 000 Dokumente gesäubert.
Der Konflikt zwischen Julian und mir setzte sich fort, auch wenn unsere tägliche Zusammenarbeit parallel weiterlief. Ich fing an, mich im Chat mit Birgitta darüber auszutauschen, weil ich völlig im Dunkeln tappte, was genau in Julian vorging. Sobald Julian und ich wieder an einem Strang zögen, dachte ich, wäre es auch wieder möglich, WL auf den richtigen Weg zu bringen.
Ende Juni berichtete mir Birgitta im Chat von einem Gespräch mit Julian. Er habe sie aufgefordert, mir nicht mehr zu vertrauen, und mich als seinen »Gegner« bezeichnet.
D: makes no sense
B: no he thinks it is deeper. that you want to take over
D: deeper in what way? thats BS [bullshit]
b: money and credit
D: yes, right, hahaha. well, this is clarified with everyone else. and we all agree on this being BS
B: yes, good
D: the only one that doesnt get it is J, will be sorted out sometime. i know why he thinks that way
B: i hope so. why
D: few remarks that i made for example. re money for example we had a discussion once about me spending some of that money
B: he thinks you keep taking huge amounts of money
D: and i
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