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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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sogar gegen seine eigene herausgehobene Position bei WL ausgesprochen hätte.
    Im Nachhinein hatte meine Suspendierung für ihn den Vorteil, dass er mich wie einen frustrierten Mitarbeiter aussehen lassen konnte, der das Projekt aus Rache kritisierte. Natürlich war ich frustriert. Natürlich war der Konflikt zwischen uns hochgekocht. Aber der Frust über meine Beurlaubung war nicht der Ursprung meiner Kritik, und inzwischen begriffen auch die anderen, dass bei WL etwas in die Schieflage geraten war.
    Durch die Suspendierung stellte Julian sicher, dass ich von da an von bestimmten Systemen ausgeschlossen war und viel weniger Möglichkeiten zur Kommunikation hatte. Vorher hätte ich sogar seine Mails lesen können. Theoretisch, ich habe das nie getan.
    Wie so viele benutze ich mein Mailprogramm gleichzeitig als Speicher für Termine und Kontakte. Ich konnte also nicht mehr nachgucken, mit wem ich in den folgenden Wochen verabredet war. Ich hatte in der kommenden Zeit mindestens vier oder fünf Vorträge auf verschiedenen Konferenzen zugesagt. Thomas Leif, der das Hambacher Demokratieforum moderierte, hatte mich zum Beispiel zu der Veranstaltung »Meine Daten gehören dir« eingeladen. Ich habe mich nicht bei ihm abgemeldet und ihn in eine unangenehme Situation gebracht. Mein Stuhl auf der Bühne blieb leer.
    Später versuchte ich, mich bei allen zu entschuldigen, die ich versetzt hatte. Ich habe bis heute die Sorge, es könnte noch jemanden geben, der mir ganz schrecklich böse ist, weil ich ihn alleine auf einem Podium sitzen ließ.

Der Streit eskaliert
    Julian hat nicht nur mich vom Mailserver ausgesperrt, sondern alle anderen gleich mit. Er war der Einzige, der noch Zugriff hatte. Viele Aufgaben, die von den Technikern erledigt werden mussten, hingen von meiner Zuarbeit ab. Das war also schon misslich genug. Aber dadurch, dass er den Zugriff auf den Mailserver sperrte, konnte wirklich niemand mehr arbeiten. Dabei mussten die Irak-Veröffentlichungen vorbereitet werden. Auf dem Mailserver lief auch die Domainverwaltung. Wir hätten dringend Sub-Domains anlegen müssen für die Irak-Dokumente.
    Mit Spiegel, Guardian und New York Times, unseren Medienpartnern, hatten wir bereits einen festen Termin für die Veröffentlichung ausgemacht. Der Termin musste um einen Monat auf den 23. Oktober 2010 verschoben werden. »Alles Daniels Schuld«, schimpfte Julian.
    Wir befanden uns in einem eigentümlichen Schwebezustand. Auf der einen Seite stand meine Anhörung noch aus und ich war offiziell »suspendiert«, auf der anderen Seite waren wir weiter über den Chat in Kontakt. Julian schrieb mir ellenlange Klagen. Er wäre jetzt nur noch damit beschäftigt, zu reparieren, was ich kaputtgemacht hätte. Es war ein bisschen so, als quatsche einem die Ex jeden Tag eine Stunde auf den Anrufbeantworter, dass sie nie wieder etwas mit einem zu tun haben wolle. Und ich war natürlich mindestens genauso bescheuert. Ich zankte eifrig zurück.
    Unter der Bedingung, das Passwort keinesfalls an mich weiterzugeben, bot Julian den Techies an, wieder Zugang zum System zu bekommen. Sie ließen sich nicht darauf ein, sie waren ja mit meiner Suspendierung nicht einverstanden. Der Architekt stand eindeutig auf meiner Seite. Der junge Techniker hielt sich heraus. Er litt unter dem Stillstand und wollte am liebsten einfach weitermachen wie bisher.
    Julian hatte ja gesagt, er wolle ein Panel of Peers zusammenstellen, also ein Gremium von Gleichgestellten. In den nächsten Tagen warteten wir also darauf, dass Julian uns das Tribunal präsentierte. Wer diese Peers sein sollten, war nicht klar, er sagte nur, er brauchte dieses Panel für das Revisionsverfahren – »um transparent zu sein und Vertrauen zu schaffen«, wie er das nannte.
    Birgitta hat wenig später mit einem Journalisten von The Daily Beast geredet. Der Artikel sorgte für die nächste Aufregung. Darin stand unter anderem, dass Julian »ein chauvinistisches Verhältnis« zu Frauen hätte. Und dass sie ihm geraten habe, sich für eine Weile zurückzuziehen. Julian reagierte sehr wütend. Er fühlte sich verraten.
    Birgitta hat den Ärger unterschätzt, den dieser Artikel auslösen sollte. Später schickte sie über Twitter eine Nachricht, um die Spekulationen, die ihr Zitat ausgelöst hatte, ein wenig zu beruhigen: »I did NOT suggest Assange should resign, I think he should not be a spokesman right now. He still has my support for all his other work.« 18 Aber sie bereute nicht, mit der

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