Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
Vom Netzwerk:
Projekt zu übernehmen. Wir debattierten lange, ob wir nicht die Geschichte umdrehen könnten: Wir setzen uns an die Schalthebel des Projekts und suspendieren Julian. Wir waren in der Mehrheit, wir hatten prinzipiell die gleichen Rechte. Viele Leute haben uns das geraten: »Warum übernehmt ihr nicht die technische Kontrolle und stellt sicher, dass er keinen Mist mehr bauen kann?« Aber gegen seinen Willen wollten wir das nicht tun.
    Am 14. September machte ich mich erneut auf den Weg ins Rechenzentrum. Während der Fahrt ließ ich das Handy und den Rechner einfach aus und versuchte, ein Buch zu lesen. Ich wollte mich selbst dazu zwingen, konsequent zu bleiben.
    Ich hatte die Person kontaktiert, die für uns den Server angemeldet hatte, und nicht erreicht. Der Betreffende wusste nicht sehr viel über die aktuellen Ereignisse, aber als ich ihm vor meiner ersten Fahrt Bescheid gegeben hatte, hatte er sehr skeptisch reagiert. Für ihn klang es so, als wollten wir etwas gegen Julians Willen unternehmen. Da konnte ich ihm noch so oft versichern, dass ich die Kiste einfach nur wieder in Betrieb nehmen wollte, damit wir bei WL weiterarbeiten könnten.
    Ich starrte aus dem Zugfenster und ließ Bäume, Häuser und Landschaften vorbeirauschen. Dieses Mal würde ich nicht umkehren. Ich schaltete die negativen Gedanken einfach aus. Ich hoffte, dass alles gutgehen würde.
    Rechenzentren sind häufig in unscheinbaren Bürogebäuden untergebracht, von außen nicht als solche erkennbar. Ich ging durch ein paar trostlose graue Gänge, fuhr in den zweiten Stock, grüßte und machte mich auf den Weg zu unserem Server. Keiner hielt mich auf. In so einem Rechenzentrum stehen die Server von unterschiedlichsten Firmen, alles wird gut bewacht. Da ich jedoch schon häufiger dort gewesen war, um etwas zu reparieren, kannten mich die Leute und fragten nicht weiter.
    Ich wartete ungeduldig, dass die Kiste sauber hochführe. Neben mir stand mein Laptop. Natürlich war ich im Netz und hatte Kontakt zu den anderen. So richtig wohl fühlte ich mich nicht. Ich schwitzte. Die Klimaanlage des Rechenzentrums gab zwar ein lautes Brummen von sich, aber viel zu wenig kühle Luft. Eigentlich kein Wunder, dass unsere Uralt-Kiste hier Probleme machte.
    Einer von den Typen aus dem Rechenzentrum kam in den Raum, in dem auch unser Server stand. Ich grüßte, und er nickte mir zu. Er prüfte eine Anzeige und verschwand wieder.
    Als ich etwa eine Viertelstunde später wieder aufblickte, stand er direkt vor mir. Ich hatte ihn gar nicht näher kommen hören. Er sah aus, als wollte er etwas sagen. Ich hatte mir bereits eine Erklärung zurechtgelegt, wohl war mir nicht. Vielleicht hatte er mir auch nur noch einmal direkt ins Gesicht gucken wollen. Vielleicht hatte er sich vergewissern wollen, dass er mich kannte. Er nickte mir zu. Und verließ den Raum.
    Die Kiste war endlich hochgefahren. Ich behielt währenddessen den Monitor meines Rechners im Blick. Ich klickte ins Chat-Fenster. Als eine neue Person auftauchte, wusste ich sofort, wer es war. Martin*, der den Server für uns gemietet hatte. Er stellte mich gleich ohne Begrüßung zur Rede.
    M: Was machst du?
    D: Ich bin hier, beim Server.
    M: Ich weiß. Das Rechenzentrum hat mich benachrichtigt. Was zum Teufel soll das?
    D: Hör mal, ich repariere ihn nur. Ich mache hier nichts, womit irgendeiner ein Problem haben müsste.
    M: Ich habe Julian kontaktiert. Er ist ausgeflippt.
    D: Es gibt überhaupt keinen Grund.
    M: Er sagt, er wird die Polizei rufen.
    D: Das ist doch Quatsch, hör mal.
    M: Ich möchte, dass du sofort die Finger davon lässt, Daniel, okay? Mach dich vom Acker, bevor was passiert. Julian sagt, er lässt dich verhaften.
    D: Warte!
    Aber es war sinnlos zu diskutieren. Ich war mir nicht sicher, ob Julian wirklich die Polizei rufen würde. Wenn die Polizei unseren verschlüsselten Server sicherstellte, könnte sie damit zwar nichts anfangen, aber der Server wäre erst mal weg. Vor allem jedoch würde ein Polizeibesuch unseren Kontaktmann in Schwierigkeiten bringen.
    Julians Drohungen kannte ich inzwischen. Aber aus Respekt vor der Person, die für uns das Risiko eingegangen war, diesen Rechner anzumelden, zog ich mich zurück.
    Ich hatte den Rechner also nur repariert. Ich habe nicht daran manipuliert und noch nicht einmal meine eigenen Mails kopiert. Julian und alle anderen hatten wieder Zugriff auf ihre Nachrichten.
    Doch die Reaktion war vernichtend. Julian tobte und weigerte sich, das

Weitere Kostenlose Bücher