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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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Entschlüsselungsmaterial einzugeben, um den Server wieder in Betrieb zu nehmen. Er schrieb im Chat: »Try that again and I’ll have you locked up.« 20 Er sprach davon, dass der Server nun in die »Forensic« müsse, weil entweder ich oder der Geheimdienst daran herummanipuliert hätten. Keine Ahnung, was er genau meinte, ob er den Rechner bei der Polizei oder in einem Speziallabor vorbeibringen und untersuchen lassen wollte. So oder so wäre das völliger Quatsch gewesen.
    Auf den Hinweis, dass eigentlich für den nächsten Tag endlich ein Chat-Meeting geplant war, sagte Julian: »The talk is now because the crime was today.« 21 Birgitta und Herbert waren auch im Chat, sogar der Architekt tauchte plötzlich wieder online auf. Und so ergab sich das Gespräch eben spontan, an diesem Abend des 14. September. Ich war sehr froh, dass wir endlich wieder miteinander redeten. Dass es unser letztes Gespräch werden sollte, konnte ich da ja noch nicht ahnen.
    Wie oft hatte ich in den vergangenen Tagen stundenlang auf den Monitor gestarrt, den Blick schon nicht mehr richtig fokussiert, und darauf gewartet, dass dieser kleine Button auftauchte, der anzeigen würde, dass Julian da war.
    Ich saß die ganze Zeit in unserer Wohnung, verließ sie nur im Notfall. Egal, was ich machte, ob ich einschlief oder kurz Milch kaufen war oder bei der Post. Immer hoffte ich, beim nächsten Blick auf den Bildschirm etwas vorzufinden, dass da eine Nachricht von Julian an mich stünde.
    Ich habe den Laptop überallhin mitgenommen: in die Küche, in die Kissenecke, neben die Badewanne, und wenn ich schlafen ging, stand der Rechner neben meinem Bett. Ich hätte genug anderes zu tun gehabt, aber es ging nichts anderes. Irgendwann fing ich an, grüne Buchstaben zu sehen, wenn ich nur auf irgendeinen schwarzen Hintergrund blickte.
    Zwischenzeitlich erfand meine Phantasie die Sätze, auf die ich wartete, einfach aus dem Nichts:
    »He Daniel, ich muss mit dir reden.«
    »Ich habe nachgedacht. Vielleicht habe ich tatsächlich etwas falsch verstanden, lass uns über die Zukunft von WL noch mal neu reden.«
    »Ey, weißt du noch, diese Kunstfuzzis in Linz, Mann, hatten wir nicht eine geile Zeit zusammen, oder die Bären, erinnerst du dich noch?!«
    Ha, ha! Ich war wirklich ein unverbesserlicher Träumer, ein Phantast! Zurück in die Realität, aufwachen, mein Lieber. Hier waren die echten Worte:
    »If you threaten this organization again, you will be attended to.«
    »Daniel has a disease, it’s some kind of borderline paranoid schizophrenia.«
    »You are a criminal.« 22
    Außerdem tat Julian schon wieder so, als wäre er der Chef von WL . Er habe 99 Prozent der Zusammenfassungen zu den Dokumenten sowie die Editorials geschrieben, jeden einzelnen Tweet verfasst, und auch die ganze Philosophie des Projekts gründe auf ihn. Birgitta fasste das gut zusammen: »So from what you are saying Julian is that YOU are wl and everyone else just your servants whom you allocate trust to.« 23
    Auch der Architekt fand ziemlich schnell klare Worte und machte deutlich, dass es für alle besser sei, wenn man sich friedlich trennte. Er hatte sich bereits darauf vorbereitet, das System zu übergeben – und zwar in dem Zustand, in dem er es vor einem Jahr vorgefunden hatte.
    Darauf antwortete Julian: »Our duties are bigger than this idiocy.« 24 Zum Architekten sagte Julian, er sei nur noch »a shadow of the man you were«. 25 Julian verlangte auch von Birgitta eine Entschuldigung für ihre »Hinterhältigkeit«, weil sie mit dem Daily-Beast-Journalisten gesprochen hatte: »Listen to me very carefully. It was backstabbing and it was disgraceful and you should apologise. Do you apologise?« 26
    Birgitta allerdings bestätigte ihre Kritik an Julians Verhalten nach den Vergewaltigungsvorwürfen. »You have mixed wl with this in a very bad way«, schrieb sie. Julian sah es genau umgekehrt: »No. WL has sabotaged my private life.« 27
    Nachdem Julian versucht hatte, den Architekten in einen parallelen Chat zu ziehen und uns andere einfach auszublenden, schrieb der Architekt seine letzten Worte. »Well you had 5 minutes time … you blew it. have fun. dont waste my time (how many times do i have to tell you that?)«. 28 Und dann verfuhr der Architekt einmal genauso, wie Julian es schon so viele Male mit uns gemacht hatte. Er verschwand einfach.
    Julian verstummte daraufhin ebenfalls. Was hätte er auch sagen sollen? Mit uns wollte er nicht mehr sprechen. Und wir nicht mehr

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