Inside WikiLeaks
mit ihm.
Das war das Ende. Nicht das Ende von WL , aber das Ende des Teams, das in den vergangenen Jahren und Monaten dafür gearbeitet hatte. Von da an sollten wir höchstens noch über Bande miteinander sprechen, über die Medien oder durch die Vermittlung Dritter.
Wir gaben auf und begannen mit der Übergabe der Technik. Der Architekt half dem im Projekt verbleibenden Techie, das alte System wieder aufzubauen. Wir hatten zunächst eine Übergabephase von zwei Wochen vereinbart, letztlich sollten wir die Frist auf gut drei Wochen ausweiten.
Warum der Architekt und ich gerade in den frühen Morgenstunden des 15. September 2010 beschlossen, dass nun Schluss sei mit WL ? Gute Frage. Die eigentliche Frage müsste wohl heißen, warum wir das nicht schon viel, viel früher entschieden hatten. Vielleicht hatten wir das schon, ohne es uns wirklich einzugestehen.
Nur zwei Tage nach diesem Gespräch, am 17. September 2010, registrierten wir den Namen für unser neues Projekt: OpenLeaks. Natürlich war diese Idee schon ein bisschen älter als zwei Tage. Natürlich hatten wir schon viel länger darüber nachgedacht. Und vielleicht hatten wir das in den vergangenen Wochen auch im Hinterkopf, als wir unseren Ton Julian gegenüber verschärften. Aber erst an diesem Tag war der endgültige Entschluss dazu gefallen.
Schon im Sommer war der Gedanke, dass wir vielleicht nicht bis in alle Ewigkeiten um WL kämpfen würden, das erste Mal aufgekommen. Für den größten Frust sorgten bei uns damals zum einen Julians Twitter-Meldungen und zum anderen die Tatsache, dass wir den großen Leaks hinterherhechelten, während sich viele gute Dokumente sammelten, um die sich keiner mehr bemühte. Dazu kündigte Julian permanent neue große Leaks an, um wenig später zu ergänzen, nie mehr etwas ankündigen zu wollen, und attackierte sinnlos alle möglichen Journalisten. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte Julian gerade einen Mother-Jones-Artikel verunglimpft, als der Architekt die entscheidenden Worte aussprach. Seit sehr langer Zeit hat mir nichts so eine große Erleichterung verschafft wie dieser lässig hingeworfene, Architekten-üblich kurz gehaltene Satz: »Wenn das so weitergeht, dann forken wir einfach.«
Forken, also abspalten, gabeln. Abhauen! Oh Mann, ich war also nicht der Einzige, dem der Gedanke daran schon mal gekommen war. Und obwohl ich ja wusste, dass der Architekt zu mir einen besseren Draht hatte als zu Julian, war ich mir bis dahin nicht sicher gewesen, ob er nicht trotz allem im Ernstfall gesagt hätte: »Ich bleibe für immer bei WL .« Und am Architekten hing natürlich sehr viel. Ohne ihn etwas Neues aufzubauen wäre fast unmöglich gewesen.
Natürlich sahen wir uns auch starken Zweifeln ausgesetzt, als wir vorsichtig anfingen, mit anderen über die Idee zu sprechen. Mit Harald Schumann und Birgitta zum Beispiel. Sie machten sich Sorgen, dass wir die Idee von WL aufs Spiel setzten, wenn wir die Organisation spalteten. Schließlich war WikiLeaks so etwas wie eine Marke. Sie drängten darauf, dass wir das Problem mit Julian lösten, dass wir bis zum Letzten um WL kämpften. Doch der Architekt und ich sahen das viel pragmatischer.
Als dieser Damm einmal gebrochen war, als die entscheidenden Worte gesprochen waren, gab es für uns, die wir schon länger haderten und grübelten, kein Halten mehr.
Aus dem Architekten und mir, und bald zum Beispiel auch aus Herbert, sprudelte es geradezu heraus. Zunächst waren es nur vage Phantasien. Wir fingen an, uns darüber auszutauschen, wie ein besseres WikiLeaks aussehen könnte. Wir dachten sogar ziemlich bald über einen Namen nach. Und wir entwickelten sofort Ideen, wie man verhindern könnte, dass sich eine neue Organisation über kurz oder lang genauso entwickeln könnte wie WL , wäre sie erst einmal zu Geld und Ruhm gekommen. Das ging ungefähr im Juli, vielleicht August 2010 los.
Wir schrieben die ersten Konzepte, die dann zum Grundstein des neuen Projektes werden sollten. Einige meiner Ideen waren noch aus der Zeit, als ich die erneute Einreichung für die Knight Foundation bearbeitete. Witzigerweise nahmen wir damals einen Satz in unser erstes Papier auf, über den professionelle Gründer von vergleichbaren Institutionen vermutlich herzlich lachen würden. Aber uns trieb ganz furchtbar die Frage um, wie eine solche Gruppe Entscheidungen treffen könnte, ohne dass sich dabei einer gegen die anderen durchsetzen müsste. Wir wollten wann immer möglich im Konsens
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