Inside WikiLeaks
in Begleitung eines Anwalts in die Redaktion gestürmt sein. So jedenfalls berichtet die Journalistin Sarah Ellison in Vanity Fair von dem »Clash der Kulturen« zwischen der traditionsreichen Guardian-Redaktion und dem »Informations-Anarchisten« Julian Assange. Schließlich würden ihm die Informationen aus den Dokumenten gehören, soll Julian demzufolge gesagt haben, und seine finanziellen Interessen seien von der Frage berührt, wie und wann diese Informationen veröffentlicht würden. Wenn Julian den Medienpartnern gegenüber so offensichtlich mit seinen vermeintlichen finanziellen Interessen argumentiert, stellt sich die Frage, ob er sie nicht auch der Öffentlichkeit gegenüber transparenter machen kann.
Aber nicht nur was die Deals mit den Medien betraf, auch technisch beschritt WL beim Irak-Release neue Wege: Die jüngsten Veröffentlichungen wurden auf einem Server von Amazon in den USA und in Irland gehostet sowie auf Servern in Frankreich. Was auch immer quer über den nordamerikanischen Kontinent durch die Datenleitungen rauscht, davon kann man ausgehen, wird auch von der National Security Agency, dem Militärnachrichtendienst der Vereinigten Staaten, überwacht. Und wenn es WL betrifft sowieso. Offensichtlich haben Julian und der Techniker es nicht geschafft, die Infrastruktur wieder so weit auf die Beine zu stellen, dass sie eine solche Veröffentlichung hätten stemmen können. Es gibt derzeit, also im Januar 2011, auch keine Möglichkeit, Dokumente an WL zu schicken. Das liegt daran, dass das Submission-System ebenfalls offline ist.
Es gibt aber eine Seite, auf der erklärt wird, welche Art von Submission interessant ist und wie das Hochladen technisch funktioniert. Der Weg zu der Seite ist nicht verschlüsselt, so dass jeder, der sich für die Erklärungen zu den potentiellen Einreichungen interessiert, dabei leicht überwacht werden kann. Wer auch immer sich zwischen den Rechner des Nutzers und dem WikiLeaks-Server in Frankreich schaltet, kann also einsehen, welche Informationen ein potentieller Whistleblower auf der WL -Seite abruft.
Fast alles, was der Architekt in dem einen Jahr bei WL entwickelt und der Organisation für die Zeit seiner Beteiligung zur Verfügung gestellt hat, hat er bei seinem Ausstieg mitgenommen. Der Architekt ist der geistige Eigentümer von Software und Konfigurationen. Für die Resttruppe stellte sich also das Problem, wie man ohne sein Wissen weitermachen sollte. Das technische Niveau, das WL vor seinem Einstieg hatte, würde ich zwar aus heutiger Sicht verantwortungslos nennen – auch wenn ich es über die ersten zwei Jahre selbst so mitgetragen habe. Der Techniker, der bei WL geblieben ist, hätte aber problemlos alles wieder auf den ursprünglichen Stand bringen können. Auch das Wiki hätte im Grunde online bleiben können, das hat ja nicht der Architekt programmiert.
Der Architekt hat sich darum gekümmert, den anderen Techniker einzuweisen. Geduldig hat er ihm in der Übergabephase erklärt, wie das Ganze konfiguriert sein musste. Der junge Techie ist eigentlich ein richtig guter Programmierer und wäre, das weiß er auch, bei unserem neuen Projekt jederzeit willkommen. Allerdings war er alleine mit dem Wiederaufbau schlicht überfordert. Julian hat sich nicht ausreichend darum gekümmert oder ihn unterstützt, sondern sich eher nur beklagt. Weshalb das System auch im Januar 2011, also vier Monate nach unserem Ausstieg, noch immer nicht wieder funktioniert, weiß ich nicht genau, kann es mir aber denken.
Wir warten bis heute darauf, dass Julian die Sicherheit wiederherstellt, damit wir ihm auch das Material zurückgeben können, das auf der Submission -Plattform lag. Es wird derzeit sicher verwahrt. Wir haben an dem Material kein Interesse, auch für OpenLeaks werden wir es nicht verwenden. Wir werden es Julian aber erst wieder zurückgeben, wenn er uns nachweisen kann, dass er es sicher aufbewahren kann und damit sorgfältig und verantwortungsvoll umgeht.
Bis jetzt, bis zum Erscheinen des Buches, haben wir das niemandem erzählt. Denn wir hatten Angst vor der öffentlichen Debatte. Wir hatten Angst, dass wir sie verlieren könnten. Vielleicht wird das nun passieren. Aber ich stehe voll und ganz zu dieser Entscheidung. Wir waren und sind primär der Sicherheit unserer Quellen verpflichtet.
Nach unserem allerletzten Gespräch hat Julian noch einmal versucht, den Architekten zu kontaktieren. Er hat zu ihm gesagt, dass man doch wieder zusammenarbeiten
Weitere Kostenlose Bücher