Inside WikiLeaks
den Irakkrieg. Es waren Militärdokumente aus den Jahren 2004 bis 2009. Ähnlich wie bei den Afghan War Diaries waren der Guardian, die NYT und der Spiegel wieder in der bevorzugten Lage, schon Wochen vorher einen Blick auf das Material werfen zu dürfen und ihre Artikel zu schreiben – sie hatten die Dokumente ja bereits, seitdem Julian in London seinen Bauchladen aufgemacht hatte.
Am 22. Oktober ging das Material dann bei WL auf die Seite und war damit auch für alle anderen verfügbar. Julian hatte vor meinem Ausscheiden immer von Exklusivrechten der drei Medienpartner wie beim Afghanistan-Leak gesprochen, wodurch etwa die Washington Post oder freie Journalisten nicht hätten eingebunden werden können. Doch diesmal waren noch weitere Partner an Bord, unter anderem die Fernsehsender Al Dschazira und Channel 4.
Während beim Afghanistan-Leak noch David Leigh vom Guardian den Hut aufhatte, war es beim Irak-Release Gavin MacFadyen. Er ist der Chef des Centre for Investigative Journalism in London. Das ist eine Non-Profit-Organisation, die sich vor allem der Ausbildung von investigativen Journalisten und der Aufklärung über den Nutzen dieser besonders kostspieligen Form von journalistischer Arbeit verschrieben hatte.
MacFadyen sitzt zugleich im Beirat des Bureau for Investigative Journalism, einer 2009 gegründeten Journalisten-Initiative, die sich sozusagen um die praktische Umsetzung der Ziele des Centres bemüht. Hier entstehen im Jahr etwa vier bis fünf Reportagen zu Themen, die nach Meinung des Bureau in der öffentlichen Berichterstattung vernachlässigt werden. Dafür bekommen die Journalisten Geld aus dem Bureau, hängen also nicht von konkreten Aufträgen ihrer Redaktionen ab. Auch das Bureau hat seinen Sitz in der britischen Metropole; und das Centre for Investigative Journalism versorgt es mit Expertisen und vermittelt Autoren.
McFadyen ist ein Fan von Julian und zugleich auch ein guter Kollege von Iain Overton, dem Chefredakteur des Bureau. So ist hier vermutlich auch der Kontakt zu Julian entstanden – und die Idee, im Vorfeld des Irak-Leaks enger zusammenzuarbeiten. Die Idee: Das Bureau sollte Filme produzieren und Lizenzen für diese Fünfminüter an Fernsehsender verkaufen.
Das Bureau hat 2009 eine Förderung von zwei Millionen Pfund von der Potter Foundation erhalten. Es war also finanziell unabhängig, und die Kollegen interessierte an der Zusammenarbeit vermutlich vor allem die gute Story und vielleicht auch das Rampenlicht, das WL mit sich brächte.
Bereits beim Collateral-Murder-Video hatten uns Sender nach den Kosten für eine Lizenz gefragt. Das hatte Julian auf die Idee gebracht, dass sich mit Videos womöglich eine weitere Geldquelle erschließen ließ.
Von einem damaligen Newsweek-Reporter sowie zwei weiteren Quellen habe ich gehört, dass unter anderem Al Dschazira und Channel 4 für die 5-Minunten-Clips zum Irak-Release Geld bezahlt haben. Es wurden Pfund-Summen im mittleren fünfstelligen Bereich und höher genannt. Produzent der Videos waren Iain Overton und sein Bureau. Inzwischen ist Overton deshalb ins Fadenkreuz der Kritik geraten. Von unterschiedlicher Seite wurde gefragt, ob bei diesen Deals alles ordentlich abgelaufen sei. Seine Kritiker wollten wissen, ob sich die Sender mit dem Kauf des Videos auch das Recht erworben hätten, einen exklusiven Blick auf die Dokumente zu werfen.
Overton streitet das ab. Das Geld sei nur für den erheblichen Produktionsaufwand geflossen. Das Bureau habe am Ende ein Minus gemacht. Ich habe das Gefühl, Overton muss jetzt ausbaden, dass er sich mit einer intransparenten Organisation eingelassen hat.
Vorproduzierte Videos wurden offensichtlich auch noch anderen Sendern angeboten. Einigen, wie ABC zum Beispiel, kam dieses Angebot suspekt vor, und sie wunderten sich auch über die Höhe der verlangten Beträge. Die Öffentlichkeit, nicht zuletzt die WL -Fans und Spender, wurden über diese Video-Verkäufe weitgehend im Unklaren gelassen, und das ist auf jeden Fall zu bemängeln. Bis heute ist nicht nachzuvollziehen, wer was bezahlte und welche Gegenleistung er dafür versprochen bekam. Overton hat mir gegenüber versichert, er könne alle Hintergründe der Deals öffentlich machen und aufzeigen, dass von Seiten des Bureau alles ordentlich gelaufen sei.
Als Julian mit dem Guardian in Streit über den nächsten gemeinsamen Leak geriet und der Guardian einzelne Depeschen veröffentlichen wollte, ohne sich mit Julian abzusprechen, soll er
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