Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
Sie?»
«Steadman?» wunderte sich Weaver, offenbar überrascht von dem jähen Umschwung ins Dienstliche. «Weil er das Bier mochte, nehm ich an. Und ein paar von den Stammgästen, die er gut gekannt hat.»
«Aber er hatte doch Geld, oder nicht? Eine Menge sogar. Das Haus wird jedenfalls nicht gerade billig gewesen sein.»
«Oh, ja, Geld hatte er. Angeblich 'ne Viertelmillion, die er von seinem Vater geerbt hat. Seine Kumpels hier sind auch nicht gerade arm, aber sie machen nicht auf fein. Sind eher gediegene, bodenständige Leute.»
Banks fand es immer noch schwer begreiflich, daß sich ein so wohlhabender Mann in einer derartigen Kaschemme aufhielt, ob das Bier nun gut war oder nicht. Von Rechts wegen hätte Steadman eigentlich Champagner schlürfen müssen, aus der Magnum-Flasche, um den Kaviar besser hinunterspülen zu können. Die Vorstellung, seinen Reichtum ungeniert zur Schau zu stellen, mochte vielleicht eher nach London passen, sinnierte Banks. Möglicherweise waren Leute, die sich mit einer Viertelmillion aus freien Stücken in ein Dorf wie Helmthorpe zurückzogen, anders gestrickt, was er bezweifelte. Allerdings war Steadman sicher ein recht ungewöhnlicher Mensch gewesen.
«Hat wohl gerne einen getrunken, oder?»
«Aber nie zuviel, soweit ich weiß, Sir. Ich glaube, er fühlte sich einfach wohl mit den Leuten hier.»
«Weil er froh war, von seiner Frau wegzukommen?»
Weaver errötete. «Nicht, daß ich wüßte, Sir. Ich habe nie etwas gehört in der Art. Ich weiß nur, daß er ein ulkiger Bursche war.»
«Inwiefern?»
«Nun, Sir, wie ich schon sagte, früher war er Professor an der Universität von Leeds, und als er dann die Erbschaft gemacht hat, hat er seinen Job einfach an den Nagel gehängt, den alten Sitz der Ramsdens gekauft und sich hier niedergelassen.»
«Das Ramsden-Haus?» warf Banks ein. «Hat das vielleicht etwas zu tun mit einem gewissen Michael Ramsden?»
Weaver zog eine Braue hoch. «Ja, in der Tat, Sir», erwiderte er. «Es war das Haus seiner Eltern und früher eine Privatpension. Zu der Zeit, wo Steadman und seine Frau anfingen, hier ihre Ferien zu verbringen, also etwa vor zehn oder mehr Jahren. Michael studierte an der Universität und bekam dann einen guten Job in einem Londoner Verlag. Als der alte Ramsden starb, konnte Michaels Mutter die Pension nicht alleine weiterführen und zog zu ihrer Schwester nach Torquay. Für Steadman traf sich das alles sehr günstig.»
Banks betrachtete Weaver mit bewunderndem Staunen. «Wie alt sind Sie eigentlich?» fragte er.
«Einundzwanzig, Sir.»
«Und wie bringen Sie es fertig, so viel zu wissen über Dinge, die lange vor Ihrer Zeit passiert sind?»
«Durch meine Familie, Sir. Ich bin in der Gegend geboren und aufgewachsen. Und durch Sergeant Mullins. Normalerweise schmeißt er den Laden hier, aber im Moment ist er in Urlaub. Und es gibt nicht sehr viel, was unserem Sergeant Mullins entgeht.»
Banks widmete sich einen Augenblick schweigend seinem Bier und dachte über das Gehörte nach.
«Was ist mit Steadmans Stammtisch-Freunden?» erkundigte er sich schließlich. «Was sind das für Leute?»
«Er hat sie selbst zusammengebracht, Sir», antwortete Weaver. «Natürlich kannten sie sich alle schon, bevor er hierher zog, aber Steadman war ein sehr freundlicher, umgänglicher Typ, an allem und jedem interessiert. Wenn er nicht gerade über seinen Büchern saß oder in irgendwelchen Burgruinen und verlassenen Gruben herumwühlte, war er ständig mit Leuten zusammen. Zum Beispiel mit Jack Barker - Sie haben vielleicht schon von ihm gehört?»
Banks schüttelte den Kopf.
«Ein Schriftsteller. Schreibt Krimis.» Weaver lächelte. «Ziemlich gute sogar, mit viel Blut, Sex und Spannung.» Er errötete erneut. «Hat natürlich wenig zu tun mit der Wirklichkeit.»
«Oh, ich weiß nicht so recht», meinte Banks lächelnd. «Aber fahren Sie doch fort.»
«Nun ja, Sir, er lebt seit drei oder vier Jahren hier. Wo er herkommt, weiß ich nicht. Dann wären da noch Doc Barnes, hier geboren und aufgewachsen, und Teddy Hackett, ein hiesiger Geschäftsmann. Ihm gehört die Tankstelle im Ort, außerdem hat er noch eine Reihe von Andenkenläden. Das wär's soweit. Sie sind alle miteinander um die Vierzig, das heißt, Doc Barnes muß ein paar Jahre älter sein, und Barker ist erst Ende Dreißig. Eigentlich ein ziemlich merkwürdiges Grüppchen, wenn man
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