Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
allerdings war es auch erst kurz nach acht, und er kannte seine Neigung, das Trinktempo zu beschleunigen, wenn es auf Lokalschluß zuging.
Inzwischen war die erste Pause gekommen, und ein allgemeines Gedränge zu den Toiletten und zur Theke setzte ein. Auch Jack Barker bahnte sich seinen Weg zur Bar, sah Banks und sein Gefolge am Tisch sitzen und kam näher.
«Guten Abend», grüßte er und streckte die Hand aus. «Das ist aber eine Überraschung! Ich wußte gar nicht, daß Sie ein Folkie sind.» Ein leichtes Funkeln war in seinen Augen, gerade deutlich genug, um die Ironie seiner Bemerkung erkennen zu lassen. «Darf ich mich einen Moment zu Ihnen setzen?» Er griff nach einem freien Stuhl und zog ihn an den Tisch, bevor Banks protestieren konnte. «Ich nehme an, Sie sind wegen Miss Cartwright gekommen, nicht wahr?»
«Missis Cartwright, soweit ich weiß», korrigierte Banks. «In der Tat, ja, ich habe mir sagen lassen, daß sie eine sehr gute Sängerin ist», erklärte er barsch, in der Hoffnung, daß sich Barker schnell wieder verabschieden würde.
«Na, da steht Ihnen aber ein echtes Fest bevor, Chief Inspector, wirklich, ein echtes Fest. Die Leute fahren meilenweit, nur um Penny singen zu hören. Hat einen fabelhaften Ruf hier in der Gegend, vor allem, seit sie den ganzen Kram hingeschmissen hat - Geld und Ruhm und das alles - und wieder in die Heimat gekommen ist. Back to the roots, so was wissen die Leute zu schätzen.»
Wertschätzung war wohl kaum die angemessene Bezeichnung für den üblen Klatsch, mit dem die Dorfbewohner Pennys Rückkehr zu ihren Wurzeln begrüßt hatten, fand Banks, sagte aber nichts dazu.
Barker hatte offensichtlich vor, mit Penny anzugeben, und es gab keine Möglichkeit, ihn davon abzuhalten. Allenfalls, indem er grob wurde, aber inzwischen war Sandra von der Toilette zurück und musterte den Neuzugang interessiert. Keine Frage, es gab kein Entrinnen, begriff Banks, innerlich fluchend - er mußte die beiden miteinander bekannt machen.
Barker bedachte die Damen mit einem strahlenden Clark-GableLächeln, an dem er lange geübt hatte, wie Banks argwöhnte, griff nach Sandras Hand und sprach mit gestelztem Ton: «Welche Ehre! Ich hätte nie damit gerechnet, daß die Frau eines Polizisten so schön und bezaubernd sein könnte!»
David guckte etwas ratlos, ein leeres Lächeln auf dem Gesicht, während Banks ausgesprochen verstimmt wirkte. Es war nicht nur Barkers Charme oder seine gesellschaftliche Finesse, die ihn ärgerten. Auch die Tatsache, mit ihm an einem Tisch zu sitzen, ließ sich gerade noch ertragen, aber mit ansehen zu müssen, wie die eigene Frau in aller Öffentlichkeit mit einem Verdächtigen fraternisierte - das war nun wirklich ein Tiefschlag gegen seine elementarsten Instinkte als Kriminalbeamter. Schon allein weil er den Eindruck hatte, auf dem Präsentierteller zu sitzen - und das war ein Gefühl, das ihm gar nicht behagte. Alles schön und gut mit Gristhorpes Rat, sich unters Volk zu mischen und die Leute reden zu lassen - aber es gab schließlich auch noch Grenzen. Das hier war kein Dienst, sondern eine private Geselligkeit, und zwar eine, die für seinen Geschmack allmählich in Vertraulichkeiten ausartete. Erbittert saugte er an seiner kalten Pfeife und gab einsilbige Kommentare, wenn es ganz unumgänglich war.
«Wie haben Sie es geschafft, hier akzeptiert zu werden?» wollte Sandra von Barker wissen, nachdem er ihr von seiner Tätigkeit berichtet hatte. «Ich dachte, daß man Schriftstellern im allgemeinen mit Mißtrauen begegnet, oder?»
Barker nickte. «Das ist wahr, und zu Anfang war man in der Tat nicht sonderlich begeistert von mir», entgegnete er. «Es stimmt schon, in kleinen Gemeinden gelten Schriftsteller nicht gerade als vertrauenswürdig, was man den Leuten nicht verübeln kann. In einigen Ortschaften hat man genügend schlechte Erfahrungen gemacht mit solchen Typen, die sich ins dörfliche Leben einschleichen, sich mit allen anfreunden, dann aber hingehen und vernichtende Kritiken über das Landleben vom Stapel lassen, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, die Namen oder Identitäten diskret zu verpacken. Es ist ähnlich wie mit den Indianern, die sich gegen Fotos wehren, weil sie glauben, man könne ihnen ihre Seele stehlen. Eine ziemlich zutreffende Einschätzung, meiner Ansicht nach. Schriftsteller wie diese scheinen in der Tat keine Skrupel zu haben und bringen die ganze Innung in
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