Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
Blick zu den Damen, «aber Sie können wohl kaum erwarten, daß sich ein Schriftsteller positiv zu einem Verleger äußert, oder? Sie müssen sich vorstellen, daß ich in manche Passagen zwei Tage Arbeit investiere, um eine gute Beschreibung zu liefern. Und dann kommt mein Verleger und will sie streichen, weil sie den Handlungsablauf behindern.»
«Ramsden ist doch aber kein Verleger, oder?» insistierte Banks.
«Großer Gott, nein. Er macht nur seine Geschäfte mit diesem hochgestochenen, akademischen Zeug.»
«Wußten Sie von ihm und Penny Cartwright?»
«Das ist doch ewig her! Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?»
«Ich will nur etwas Ordnung bringen in die Beziehungen untereinander, weiter nichts», erklärte Banks lächelnd.
«Da, es geht weiter», stellte Barker fest und stand auf. «Wenn Sie mich bitte jetzt entschuldigen würden...» Er verabschiedete sich mit einer knappen Verbeugung von Harriet und Sandra und ging wieder zurück zu seinem Platz. Inzwischen war es kurz vor halb neun. Während das Licht im Saal langsam schwächer wurde, beobachtete Banks, wie Barker auf Penny einredete und von Zeit zu Zeit einen raschen Blick über seine Schulter warf. Bevor es ganz dunkel wurde, sah er gerade noch, daß ihr Barker etwas ins Ohr flüsterte, worauf sich Penny umdrehte und laut lachte.
Als der Zeremonienmeister erneut zu seinen weitschweifigen Erklärungen und Begrüßungen ansetzte, beugte sich Sandra zu Banks vor und meinte: «Ich finde, du warst ein bißchen unhöflich zu ihm. Mußte das sein? Du hattest mir doch einen ganz privaten und unterhaltsamen Abend versprochen.»
Banks murmelte widerstrebend eine Entschuldigung und beschäftigte sich angelegentlich mit seiner Pfeife. Es kam häufig vor, daß sich berufliche Dinge störend in ihr Privatleben drängten, die Situation war also nicht neu, führte aber immer wieder zu Spannungen. Möglicherweise hatte Sandra erwartet, daß mit dem Wechsel in den Norden alles anders würde, daß ein neues Leben begann, was natürlich Unsinn war. Die Landschaft mochte anders sein, aber die Menschen waren dieselben, mit denselben, ewig gleichen Schwächen, dachte Banks und gab dem Kellner ein Zeichen, eine neue Runde zu bringen. Scheiß drauf, sollte doch ein anderer den Chauffeur machen, immerhin war er doch eben noch daran erinnert worden, daß man zum Vergnügen hier war...
Unter lautem Beifall und durchdringenden Pfiffen aus dem Hintergrund betrat Penny Cartwright die Bühne. Immer noch wütend auf Jack Barker, dessen gottverdammten Charme und geistreiches Geplauder, auf Sandra, die den Kerl auch noch ermutigt hatte, und auf sich selbst, weil er allen die Stimmung verdorben hatte, stürzte er sich mit erbitterter Entschlossenheit auf sein frisches Bitter und starrte finster in seine Pfeife, als sei dieses kümmerliche Utensil die Wurzel allen Übels. Tatsächlich war sie schon wieder ausgegangen, und es machte ihn einfach krank, dieses ewige Hin und Her, Tabak rein, Tabak raus, putzen, kratzen, wieder stopfen und wieder anzünden.
Penny begann ohne Musikbegleitung mit dem Titel «Still Growing», einer traurigen Ballade von einer arrangierten Heirat zwischen einer Frau und einem Knaben an der Schwelle zum Mannesalter, den ein früher Tod ereilt, betrauert von seiner Witwe mit den Worten «Once I had a sweetheart, but nowl have none / Death has put an end to his growing». Die Geschichte war einfach und sparsam erzählt, und Banks fühlte, wie ihn die Musik mehr und mehr gefangennahm. Die Töne trugen ihn davon, wie bei seinen geliebten Opernarien, hüllten ihn ein, legten sich sachte um seine düsteren Gedanken und drängten sie weit nach hinten, in eine dunkle Ecke seines Hirns. Pennys Stimme hatte Leidenschaft, aber auch die nötige Gefaßtheit - es war die Stimme einer Überlebenden, die mit echtem Mitgefühl die Verlorenen besang, die vom Schicksal weniger begünstigten Seelen. Es war eine Altstimme, etwas tiefer, als Banks erwartet hatte, rauchig bei den dunklen Tönen, aber klar und rein in den Höhenlagen.
Er applaudierte laut, als sie geendet hatte, und bemerkte, daß ihn Sandra mit hochgezogenen Augenbrauen, aber auch mit einem Lächeln der Zustimmung musterte. Es folgten weitere Songs im traditionellen Folkstil, zu denen sich Penny ab und an selbst auf der Gitarre begleitete, während eine weitere junge Frau die Flöte spielte oder die Geige mit einfiel zu einer bunten Mischung aus Liedern von
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