Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
leidenschaftlichen Gefühlen und verbotenen Lieben bis zu munteren Tänzen und schaurigen Balladen wie «The Murder of Maria Marten».
Trotz seiner Freude an der Musik bemerkte Banks, wie seine Gedanken wieder zurückwanderten zu Barker und zu dessen Reaktion auf Michael Ramsden. Allem Anschein nach gab es da eine Abneigung, die weit über die generellen Antipathien zwischen Autor und Verleger hinausgingen. Ramsden war ein enger Freund gewesen von Steadman, und er hatte Penny Cartwright gekannt, seit ihrer Kindheit. Spielte sich vielleicht doch noch etwas ab zwischen den beiden? War Barker möglicherweise einfach eifersüchtig ? Und wenn das für Ramsden galtmußten dann seine Gefühle gegenüber Steadman nicht ähnlich gewesen sein?
Er sah zu Penny und beobachtete aus den Augenwinkeln Barkers edel geformtes, schönes Profil. Kein Zweifel, dieser Mann liebte Penny, Ramsden hatte ganz recht mit seiner Vermutung. Außerdem war es nur allzu begreiflich, Penny war eine Schönheit und eine große Begabung dazu. Trotzdem waren die beiden auseinandergegangen, Ramsden und sie, allerdings lag das Jahre zurück, bevor sie zu dieser Schönheit erblüht war, und es konnte durchaus nichts weiter als eine harmlose Jugendschwärmerei gewesen sein. Auf dem Lande vergaß man solche Dinge allerdings nicht so leicht, insofern war es auch vorstellbar, daß die böseren Zungen Penny bis heute für ein gefallenes Mädchen hielten, das dieser nette Michael Ramsden - völlig zu Recht - sitzengelassen hatte. Aber was dachte Ramsden selbst darüber? Wie empfand er wirklich über diese Trennung?
Penny kündigte den letzten Titel ihres ersten Auftritts an, «Little Musgrave and Lady Barnard». Banks deponierte die erkaltete Pfeife im Aschenbecher und widmete sich der Musik.
* II
Gegen neun Uhr verließ Sally Lumb das Haus an der Hill Road. Wie an jedem Freitag war ihre Mutter zum Bingo nach Eastvale gefahren, mit Mrs. Crawford, während ihr Vater an einem Dartwettbewerb im Bridge teilnahm. Beide würden nicht vor elf Uhr zurück sein, so daß ihr reichlich Zeit blieb und keine unangenehmen Fragen zu befürchten waren.
Trotz der dunklen Wolken am Himmel war es noch immer sehr warm draußen, vielleicht ein wenig zu warm und etwas schwül, was nach Sallys Erfahrung darauf hindeutete, daß ein Gewitter im Anzug war. Am Fuße des Hügels angekommen, bog sie am Bridge nach links ab in die High Street. Weit und breit war niemand zu sehen, Helmthorpes Bewohner hatten sich in den Pubs versammelt oder klebten zu Hause an der Glotze. Bis zur Polizeistunde war bestimmt alles ruhig, falls nicht irgendwelche betrunkenen Camper in der Disco vom Hare and Hounds randalierten und Big Cyril die Burschen vor die Tür setzen mußte.
Sie ging die Straße hinunter bis zum Dog and Gun und blieb einen Moment vor der offenen Tür stehen. Von drinnen ertönte Gesang, dem Klang nach zu urteilen, war es Penny Cartwright. Sally kannte ihre Stimme von anderen Anlässen, hatte aber nichts von diesem heutigen Auftritt gewußt. Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Uhr. Reichlich Zeit noch. Die Klänge der Musik wehten sanft durch die feuchte Abendluft, und die Liedworte waren deutlich zu hören: «A grave, a grave», Lord Barnard cried, «To put these lovers in; But bury my lady on the top For she was of noble kin.»
Die vertraute Weise in Gedanken mitsingend, setzte Sally ihren Weg fort, verhielt einen Augenblick an der Brücke, um dem Rauschen des Wildbachs zuzuhören, und beschleunigte dann ihre Schritte, um die Straße zu verlassen und sich nach Süden in die Büsche zu schlagen, geradewegs zu den einsamen weiten Höhen, auf denen Kevin und sie noch vor kurzem Penny Cartwright begegnet waren. Sie hatte eine Verabredung einzuhalten, eine Warnung zu übermitteln. Bald würde sie Klarheit haben und die Lösung wissen.
* III
In der Pause zwischen ihren beiden Auftritten verließ Penny Cartwright den Pub und begrüßte Banks im Vorbeigehen mit einem kühlen Lächeln. Barker folgte dicht hinter ihr, nickte Banks kurz zu und vollführte eine knappe Verbeugung vor Harriet und Sandra.
«Wirklich eine Schönheit und so begabt», meinte Sandra, als die beiden verschwunden waren. «Du wirst sie doch wohl hoffentlich nicht verdächtigen ?»
Banks begnügte sich mit der Erklärung, daß sie lediglich zu den näheren Freunden des Mordopfers zähle, und Sandra beließ es dabei. Danach plauderte man eine Zeitlang über die Musik,
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