Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
hat.«
»Was ist mit der Mutter? Wer ist bei ihr?«
»Susan blieb eine Weile da, dann hat sie Mrs Scupham angeboten, eine Beamtin vorbeizuschicken, aber das wollte sie nicht. Ich glaube, weder sie noch Les fühlen sich in der Nähe der Polizei wohl. Egal, jetzt ist eine Freundin bei ihr.«
»Es ist wahrscheinlich am besten, wenn wir mit dem Naheliegenden anfangen, oder?«, meinte Gristhorpe. »Nimmst du der Mutter ihre Geschichte ab?«
Banks trank einen Schluck Bier. »Eigentlich schon. Sie schien wirklich geschockt zu sein. Außerdem halte ich sie nicht für so helle, sich eine solche Geschichte auszudenken.«
»Ach, ich bitte dich, Alan. Dazu braucht man nicht viel Fantasie. Sie könnte die Kleine geschlagen, die Kontrolle verloren und sie getötet haben. Oder Poole. In diesem Fall hätten sie die Leiche dann verschwinden lassen und diese Lügengeschichte erfunden.«
»Ja, könnte sein. Ich sage nur, dass mir diese Geschichte etwas zu kompliziert vorkommt. Es wäre doch wesentlich einfacher gewesen zu behaupten, Gemma sei verschleppt worden, während sie draußen gespielt hat, statt eine Beschreibung von zwei Leuten zu erfinden und dabei das Risiko einzugehen, dass es uns merkwürdig vorkommt, dass niemand die beiden auf der Straße gesehen hat, oder? In der Gegend sieht und hört jeder alles. Aber wie auch immer, ich habe die Beamten das Haus zweimal gründlich durchsuchen lassen und sie haben nichts gefunden. Jetzt ist die Spurensicherung an der Reihe. Wenn Gemma im Haus verletzt und dann irgendwohin gebracht worden ist, dann finden die es heraus.«
Gristhorpe seufzte. »Eine Entführung können wir wohl ausschließen, oder?«
»Brenda Scupham besitzt kein Geld. Möglicherweise trickst sie das Sozialamt aus und kriegt mehr, als ihr zusteht, aber damit ist sie noch lange keine Mrs Rothschild.«
»Was ist mit dem Vater? Käme ein Kampf um die Vormundschaft infrage? Vielleicht hat er jemanden angeheuert, um Gemma für ihn zu kidnappen.«
Banks schüttelte den Kopf. »Laut Brenda zeigt er keinerlei Interesse an dem Kind, und das schon seit Jahren. Aber wir suchen ihn.«
Gristhorpe wedelte eine Rauchwolke weg. »Mir gefallen die anderen Möglichkeiten nicht.«
»Mir auch nicht, aber wir müssen uns damit befassen. Erinnerst du dich an diese Geschichten, die vor einer geraumen Weile passiert sind? Ein paar Pädophile hatten sich als Sozialarbeiter ausgegeben und verlangt, die Kinder wegen des Verdachts auf Missbrauch zu untersuchen.«
Gristhorpe nickte.
»Glücklicherweise haben die meisten Eltern sie weggeschickt«, fuhr Banks fort. »Aber angenommen, sie hätten dieses Mal Erfolg gehabt?«
»Ich habe die Beschreibungen mit den Gruppen verglichen, die damals beteiligt waren«, berichtete Gristhorpe, »und sie passen nicht zusammen. Aber du hast Recht. Wir müssen das in Betracht ziehen. Vielleicht sind es Trittbrettfahrer, die davon in der Zeitung gelesen haben. Und außerdem dürfen wir diesen Ritualkram nicht vergessen.«
Vor nicht langer Zeit waren die Zeitungen voll gewesen von Geschichten über rituellen Kindesmissbrauch, der oft satanische Elemente beinhaltete. In Cleveland, Nottingham, Rochdale und auf den Orkneyinseln waren Kinder nach Hinweisen auf eben solchen Missbrauch - der Folter, Verhungern, Demütigungen und sexuelle Belästigung einschloss - in Obhut genommen worden. Niemand hatte wirklich handfeste Beweise auf den Tisch legen können; tatsächlich glaubten die meisten Leute, dass die Kinder eher vor den Sozialarbeitern geschützt werden müssten, aber die Gerüchte waren beunruhigend genug gewesen. Und Gristhorpe machte sich nicht vor, dass solche Dinge in Eastvale nicht passieren könnten. So etwas war überall möglich.
Dass mittlerweile auch draußen in den Dales Satanisten ihr Unwesen trieben, stand außer Frage. Erst vor kurzem hatte es Ärger mit ihnen gegeben, als einheimische Bauern sich beschwert hatten, weil sie in kleinen Wäldchen und Gräben rituell geschlachtete Schafe gefunden hatten. Zwischen Schafen und Kindern bestand natürlich ein großer Unterschied, genauso wie zwischen Satanismus und Hexenkult. Gristhorpe besaß seit Jahren Informationen über einheimische Hexenversammlungen. Sie setzten sich zum größten Teil aus unterdrückten Ehemännern und gelangweilten Hausfrauen zusammen, die auf der Suche nach einer abendlichen Frivolität nackt durch den Wald tanzten. Aber die Satanisten waren ein
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