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Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln

Titel: Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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geschnitten und fransig und war verrückt nach Jungen, Make-up, Klamotten und Popmusik.
      Sie schienen kaum noch miteinander zu reden, ihm fehlten diese Gespräche über Geschichte, ihre frühere Leidenschaft, besonders die Momente, wenn er ihr in dem einen oder anderen Punkt etwas beibringen konnte. Sein Mangel an solider Allgemeinbildung hatte Banks immer ein Gefühl der Unsicherheit gegeben und deshalb war er sich durch Tracys Fragen oft nützlich vorgekommen. Aber er hatte weder von Popgruppen, die gerade »in« waren, noch von Mode und Kosmetik eine Ahnung.
      Und Sandra hatte sich ganz von ihrer Arbeit vereinnahmen lassen. Als er seinen Toast butterte, ermahnte er sich im Stillen, nicht so egoistisch zu sein und mit diesem Selbstmitleid aufzuhören. Nach so vielen Jahren, die sie zum Wohle der Familie und für seine Karriere geopfert hatte, tat sie nun das, was sie wollte, und engagierte sich für die Kunst. Wenn er keine unabhängige, temperamentvolle und kreative Frau gewollt hätte, dann hätte er sie nicht heiraten dürfen. Trotzdem machte er sich Sorgen. Sehr oft kam sie nun spät heim und manch einer der hiesigen Künstler war ein gut aussehender, junger Teufel mit dem Ruf eines Casanovas. Außerdem waren diese Kerle vermutlich freizügiger, als er es war, und hatten zweifellos eine unkonventionelle Einstellung zum Sex. Vielleicht fand ihn Sandra mittlerweile langweilig und suchte sich die erotische Spannung woanders. Mit ihren achtunddreißig Jahren war sie eine schöne Frau: Ihre langen blonden Haare bildeten einen interessanten Kontrast zu ihren dunklen Brauen über den intelligenten blauen Augen. Nach ihrer schlanken, wohlproportionierten Figur, die sie sich durch hartes Training erhalten hatte, drehte man sich um. Wieder ermahnte er sich, nicht solch ein Dummkopf zu sein. Es war sicherlich die Arbeit, die ihre Zeit in Anspruch nahm, nicht ein anderer Mann.
      Als er seinen Kaffee getrunken und seinen Toast gegessen hatte, waren Sandra und Tracy immer noch nicht heruntergekommen. Er rief laut »Auf Wiedersehen« nach oben, zog sein dunkelgraues Sportjackett an, klopfte auf die Seitentasche, um sich zu vergewissern, dass er seine Zigaretten und das Feuerzeug bei sich hatte, und brach auf. Weil es ein so schöner Morgen war und er wusste, wie schnell das Wetter umschlagen konnte, beschloss er, die zwei Kilometer ins Polizeirevier zu Fuß zu gehen. Wenn er einen Wagen brauchen sollte, konnte er jederzeit einen Dienstwagen nehmen.
      Er steckte den Walkman in die Tasche und schaltete ihn ein. Ivor Gurneys Vertonung von »In Flandern« begann: »Ich habe wieder Heimweh nach meinen Bergen - nach meinen Bergen!« Banks war durch eine Anthologie von Gedichten aus dem Ersten Weltkrieg auf Gurney aufmerksam geworden, hatte dann erfahren, dass er auch Komponist gewesen war, und nach seiner Musik gesucht. Viel war nicht erhältlich, nur ein paar Lieder - Vertonungen von Gedichten anderer Autoren -, außerdem ein wenig Klaviermusik; aber Banks fand ihre Kargheit und Einfachheit äußerst bewegend.
      Als er die Market Street entlangging, grüßte er die Ladenbesitzer, die gerade ihre Markisen herunterließen, und kaufte im Zeitungsladen eine Ausgabe des Independent. Im Weitergehen warf er einen kurzen Blick auf die Titelseite und entdeckte Gemma Scuphams Foto sowie einen kurzen Aufruf an die Bevölkerung mit der Bitte um Mithilfe. Gut, sie hatten schnell reagiert.
      Als er auf den Marktplatz kam, kletterte bereits die erste Touristenfamilie aus dem Wagen; der Vater hatte eine Kamera um den Hals und die Kinder steckten in orangen und gelben Windjacken. An einem solchen Tag war es schwer zu glauben, dass irgendwo in den Dales möglicherweise ein totes siebenjähriges Kind lag.
      Banks ging geradewegs in das Konferenzzimmer im ersten Stock des Reviers. Es war der größte Raum, mit einem polierten, ovalen Tisch in der Mitte, um den zehn harte Stühle standen. Dass tatsächlich zehn Leute hier saßen, kam allerdings selten vor, und an diesem Morgen waren es außer Banks nur noch Superintendent Gristhorpe, Susan Gay und Phil Richmond. Banks schenkte sich eine Tasse Kaffee aus der Kanne am Fenster ein und nahm Platz. Er war ein paar Minuten zu früh gekommen, die anderen unterhielten sich noch ungezwungen; Blöcke und Stifte lagen vor ihnen.
      Zuerst ließ Gristhorpe einen Stapel Zeitschriften auf den Tisch fallen und bat alle Anwesenden, einen Blick hineinzuwerfen. Sämtliche nationale

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