Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
Rauchabzug in einen vertikalen Schornstein auf dem Gipfel gemündet, durch den die Bleidämpfe abziehen sollten, aber der war schon vor langer Zeit zusammengefallen.
Megan kletterte fröhlich über das Geröll auf den dunklen Eingang zu. Marjorie lief ihr hinterher. »Megan!«, rief sie. »Komm weg da!« Hinter sich bemerkte sie die anderen, die aus der Schmelzhütte gekommen waren und sie aus ein paar Metern Entfernung beobachteten. »Alles in Ordnung«, sagte Marjorie über die Schulter. »Ich hole sie ein, bevor sie hineingehen kann. Hier kann nichts passieren.«
Vielleicht hatte sie die Beweglichkeit und das Tempo der Sechsjährigen unterschätzt, dachte sie, während sie sich über die Felsen kämpfte und bemühte, nicht zu stolpern. Aber sie schaffte es. Megan war bereits am Rande des Rauchabzugs, als Marjorie sie an der Schulter zu fassen bekam.
»Das ist gefährlich, Megan«, japste sie und setzte sich hin, um Luft zu schnappen. »Du darfst da nicht hineingehen.«
Als sie in das schwarze Loch schaute, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Ganz weit hinten, dort wo der Abzug endete, konnte sie einen winzigen Lichtschein sehen. Der Boden war mit Steinbrocken übersät, die höchstwahrscheinlich vom gewölbten Dach heruntergefallen waren. Ein paar Meter weit drinnen fiel ihr eine große, seltsam geformte Erhebung auf. Wahrscheinlich war es ein herabgestürztes Dachstück, doch irgendetwas weckte ihre Neugier. Im Gegensatz zu den anderen Brocken, die zufällig zerstreut dalagen, sah diese Erhebung irgendwie so aus, als wäre sie absichtlich dort errichtet worden. Sie hob Megan von dem Geröllhaufen, damit sie zu ihren Eltern gehen konnte, und kroch in die Öffnung.
»Wo willst du denn hin?«, hörte sie Roger rufen. »Marjorie! Komm zurück!« Aber sie achtete nicht auf ihn. Einen kurzen Augenblick lang hatte das Sonnenlicht etwas vor ihr angestrahlt.
Trotz des Lichts, das von der Öffnung hereinfiel, war es dunkel im Abzug, und als sie über die scharfkantigen Steine kroch, schrammte sie sich die Knie auf. Sie versuchte, sich mit weit vorgebeugtem Oberkörper auf die Füße zu stellen. Es roch unangenehm feucht und sie bemühte sich, so wenig wie möglich zu atmen. Sie erinnerte sich, dass Roger gesagt hatte, die giftigen Dämpfe des verflüchtigten Bleis hätten sich an den Wänden des Rauchabzugs festgesetzt, den minderjährige Arbeiter in regelmäßigen Abständen abkratzen hatten müssen. Was für eine Arbeit, dachte sie, Tag für Tag hier auf allen vieren das Blei vom Stein zu kratzen.
Als sie sich bis auf ungefähr zwei Meter der Erhebung genähert hatte, konnte sie noch immer nichts Genaues erkennen. Wenn sie sich an den Rand drückte und ihren Rücken in die Wölbung der Mauer presste, erhellte etwas Licht die Stelle, wo sie sich befand, und ließ einen schwachen Umriss hervortreten. Jetzt stand Roger vor dem Eingang und schrie, sie solle zurückkommen.
»Geh aus dem Weg«, rief sie. »Ich kann überhaupt nichts sehen!«
Komischerweise gehorchte Roger. Im schwachen Lichtschimmer konnte man nun ein paar Einzelheiten des Steinhaufens ausmachen - und da sah Marjorie eine kleine Hand, die aus dem Haufen herausragte. Sie schrie auf und wandte sich ab. Dabei stolperte sie, wodurch ein paar kleine Steine in die Nähe der Leiche kullerten. Ein Schwarm Fliegen erhob sich und schwirrte aufgescheucht durch den Abzug.
* II
»Wir haben schon drei Geständnisse erhalten«, berichtete Gristhorpe, während Banks auf der Straße nach Helmthorpe aus Eastvale hinausfuhr. Roger Binghams Meldung war ziemlich ungenau gewesen, deshalb vermieden beide jede Spekulation darüber, ob die gefundene Leiche diejenige von Gemma Scupham war. »Einer hat uns lang und breit erzählt, was genau er mit Gemma angestellt hat und wie sehr er es genoss. Ich sage dir, Alan, manchmal ist es wirklich eine verdammte Schande, dass man einen Menschen nicht für seine schmutzige Fantasie einsperren kann.« Er fuhr mit einer Hand durch sein wirres graues Haar. »O Gott, habe ich das wirklich gesagt? Da sieht man mal, wie dieser Fall mir zusetzt. Wir haben den Kerl auf jeden Fall angezeigt, weil er die Zeit der Polizei verschwendet hat. Wenn wir Glück haben, bekommt er sechs Monate.«
»Haben die Suchtrupps schon was gefunden?«, fragte Banks.
Gristhorpe schüttelte den Kopf. »Im Moment nehmen sie sich das Gebiet östlich der Siedlung hinter den Gleisen vor. Ein paar freiwillige
Weitere Kostenlose Bücher