Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
und schob die Flasche zur Seite. »Gehen wir ein Stückchen?«
»Warum nicht.«
Sie zahlten und gingen hinaus. Auf den Straßen waren immer noch eine Menge Leute unterwegs, besonders entlang der Albert Cuypstraat, wo sie durch die Überreste des nachmittäglichen Marktes gingen: welke Salatblätter, eine zerquetschte Tomate, Hühnerknochen, ein Pappschild, auf dem »f4.50« stand. Fischgeruch stand noch in der Luft. Jetzt wusste Banks, warum ihm der Sarphatipark so bekannt vorgekommen war. Er und Sandra waren tatsächlich hier gewesen, sie waren eines Nachmittags ein paar Stunden durch die Marktstände spaziert.
»Wie gesagt«, nahm Craig den Faden wieder auf, »Nev hat mich in sein Vertrauen gezogen. Ich glaube, ihm gefiel die Tatsache, dass ich meinem Vorstrafenregister zufolge zu allem bereit war, solange es nur gewinnbringend war. Und ich brauchte nicht lange, um festzustellen, dass für Nev Profit über alles geht.«
»Also geht es ihm um Geld und nicht um Politik?«
»Mmm, nicht ganz. Vielleicht geht es ihm um beides gleichzeitig, wenn er es unter einen Hut bringen kann. Wenn nicht, dann würde ich sagen, dass Geld eindeutig zuerst kommt. Wie gesagt, Nev ist ein habgieriges Arschloch. Machthungrig und geldgierig. Das Erste, was ich herausfand, als ich mit der verdeckten Ermittlung begann, war, dass er einige seiner jüngeren und dümmeren Rekruten zu Diebesbanden organisiert, die ihre Beute an ihn abgeben müssen. Natürlich zum Wohle der Liga.«
»Und das machen sie?«
Craig schnaubte. »Na sicher. Machen wir uns nichts vor, die meisten dieser Kids sind ziemlich beschränkt. Fünf oder sechs gehen in einen Laden, und sobald ...«
»Blitzüberfälle?«
»Sie wissen davon?«
»Ich habe von dem Ausdruck gehört. Und ich weiß, dass es in letzter Zeit zu einem Problem für die Kriminalpolizei von West Yorkshire geworden ist. Neben Überfällen auf Geldautomaten. Ich wusste allerdings nicht, dass Motcombe dahinter steckt.«
»Nicht hinter allen Vorfällen. Ich bin mir sicher, dass eine Menge Banden auf eigene Faust unterwegs sind. Aber Nev nimmt die Wut dieser Jugendlichen und gibt ihr ein Ventil. Er gibt ihnen Hassobjekte. Er gibt ihrem Zorn eine Struktur und versorgt sie mit echten Zielen statt mit nebulösen Ideen. Am Ende glauben sie dann, sie begehen Diebstahl, Körperverletzung und Vandalismus für eine gute Sache. Im Grunde funktioniert Terrorismus genauso, oder? Dazu trichtert man ihnen ein paar patriotische Werte ein, faselt etwas vom »wahren englischen Heimatland< und vermischt das Ganze mit ein paar grünen Ideen, und schon fühlen sie sich wie verantwortungsbewusste und tugendhafte Bürger, die Einzigen, die sich noch wirklich um ihr Land kümmern.«
»So wie Sie das sagen, klingt es, als wäre das ein Kinderspiel.«
Sie bogen nach rechts ab und gingen auf den neogotischen Bau des Rijksmuseums zu, der sich dunkel und mächtig vor dem Abendhimmel abzeichnete. Die Straßenlaternen warfen lange Schatten. Eine Brise kam auf und wehte den modrigen Geruch der Gracht herbei. In der Ferne konnte Banks Musik hören und durch die Vorhänge der Fenster sah er Fernsehbildschirme flimmern.
Craig zuckte mit den Achseln. »Es ist auch nicht so schwer, wie Sie glauben, das ist ja das Schlimme. Das Rekrutieren macht jedenfalls keine Probleme. Nehmen Sie zum Beispiel Rockkonzerte. Einlass nur mit Einladung. Da fühlen sich die Leute gleich privilegiert und exklusiv. Dann peitschen die Nazibands die Kids mit ihrem Rhythmus und ihrer Energie ein, und jemand wie ich geht durch die Reihen und verklickert ihnen die Theorie. Außerdem nehmen sie sich Schulen vor, vor allem Schulen, in denen es einen großen Ausländeranteil gibt. Sie warten draußen auf der Straße und verteilen Flugblätter, dann veranstalten sie Treffen an verschiedenen Orten. Sie warten auch in den Cafés, die einige Jugendliche auf ihrem Heimweg aufsuchen. Sie fangen ein Gespräch an und zeigen Mitgefühl für die Probleme der Kids mit ihren ausländischen Mitschülern. Auf diese Weise kriegen sie wirklich überraschend viele Jugendliche auf ihre Seite.«
»Und die organisiert Motcombe dann zu Diebesbanden?«
»Ja, manche. Aber nicht alle.« Er lachte. »Ein paar Jungs, die Bescheid wissen, haben ihm den Spitznamen «>Fagin< gegeben.«
Banks hob seine Augenbrauen. »>Du musst ein paar Portemonnaies klauen<«, sang er, eine passable Imitation von Ron Moody in Oliver. »Ich
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