Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
recht.
Die letzte Reihe alter Cottages, Gallows View, stach wie ein krummer Finger ins Tal. Banks' erster Fall in Eastvale hatte sich um diese Häuser gedreht, erinnerte er sich, während er Richtung Narzissenstieg hastete.
Graham Sharp, der eine wichtige Rolle in diesem Fall gespielt hatte, war im Sommer an einem Herzinfarkt gestorben, hatte Banks gehört. Vor ein paar Jahren hatte er seinen Laden verkauft; seitdem wurde er von den Mahmoods geführt, die Banks vage durch seinen Sohn, Brian, kannte. Vor kurzem hatte er sie auch auf dem Revier gesehen; laut Susan hatte jemand ein paar Wochen zuvor einen Stein durch ihr Fenster geworfen.
Auf den ehemals leeren Feldern rings um Gallows View wurde eine neue Siedlung gebaut, in einem Jahr sollten die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Banks konnte die halb ausgehobenen Fundamente sehen, die mit Pfützen gefüllt waren; er sah die Ziegelstapel und die Brettertürme und die im Sonnenlicht funkelnden still stehenden Kräne und Betonmischer. Ein, zwei Straßen waren teilweise fertig, aber noch hatte keines der Häuser Dächer.
Das Anwesen Nummer sieben am Narzissenstieg hob sich vom Rest der Häuser der Straße ab. Die Besitzer hatten nicht nur einen weißen Zaun um den Garten gezogen und eine vertäfelte, nach Kiefer aussehende Naturholztür mit einer Fensterscheibe aus Buntglas eingesetzt - Irrsinn, dachte Banks, wie schnell konnte man dort einbrechen -, sie hatten zudem einen der wenigen Gärten in der Straße, der dem Blumenmotiv der Siedlung entsprach. Und weil es ein langer Sommer gewesen war, standen viele Blumen, die Ende September normalerweise schon verblüht gewesen wären, noch in voller Pracht. Bienen schwirrten durch die roten und gelben Rosenblüten, die direkt unter dem Vorderfenster noch an ihren dornigen Stauden hingen, und auf den Gartenbeeten wucherten Chrysanthemen, Dahlien, Begonien und Gladiolen.
Die Eingangstür war angelehnt. Bevor er eintrat, klopfte Banks vorsichtig an. Er hatte Susan über Funk angewiesen, sie solle, bevor er käme, mit den Eltern sprechen, um herauszufinden, ob die Zeichnung ihren Sohn darstellen könnte, solle ihnen aber nichts sagen, bis er da wäre.
Als Banks das Haus betrat, brachte Mrs. Fox gerade ein Teetablett von der Küche in das helle, luftige Wohnzimmer. Schnittblumen in Kristallvasen schmückten den Esstisch und die polierte Holzplatte über dem elektrischen Kamin mit den nachgeahmten Kohlen. Auf der cremefarbenen Tapete kletterten Rosen an Gittern empor. Über dem Kamin hing eine gerahmte, antike Karte von Yorkshire, wie man sie für wenig Geld in den Touristenläden kaufen konnte. Vor der schmälsten Wand stand ein vom Boden bis an die Decke reichendes Holzregal, das anscheinend vollständig mit Langspielplatten gefüllt war.
Mrs. Fox war ungefähr vierzig, schätzte Banks. Sandras Alter. Sie trug ein weites Oberteil und schwarze Leggings, die ihre langen Beine mit wohl geformten Waden und Oberschenkeln zur Geltung brachten. Beine, die man in diesem Alter nur durch regelmäßiges Training hatte. Ihr Gesicht war schmal, die einzelnen Züge lagen etwas zu dicht beieinander. Sie trug einen einfachen Mittelscheitel, ihr Haar war schulterlang und wellte sich an den Spitzen ein wenig. Die Wurzeln hatten einen etwas dunkleren Blondton.
Mr. Fox stand auf, um Banks die Hand zu schütteln. Er war kahlköpfig bis auf ein paar schwarze Zacken über den Ohren, hatte ein schmales, hageres Gesicht und trug eine Brille mit schwarzer Fassung, Jeans und ein grünes Sweatshirt. Er war außerordentlich dünn, was ihn groß erscheinen ließ, und sah aus, als hätte er die Sorte Stoffwechsel, die es ihm erlaubte, so viel zu essen, wie er wollte, ohne ein Gramm zuzunehmen. Ganz so dünn war Banks nicht, aber auch er nahm trotz seines Bierkonsums und dem Junkfood nie viel zu.
Nachdem der Tee eingeschenkt war, setzte sich Mrs. Fox zu ihrem Mann aufs Sofa und schlug ihre langen Beine übereinander. Ehemann und Ehefrau ließen so viel Platz frei, dass man zwischen ihnen noch hätte sitzen können, doch Banks nahm einen Stuhl vom Esstisch, drehte ihn herum, setzte sich und legte seine Arme auf die Lehne.
»Mr. und Mrs. Fox haben mir gerade erzählt«, sagte Susan und holte ihr Notizbuch hervor, »dass Jason aussieht wie der Junge auf der Zeichnung und dass er gestern Nacht nicht hier geschlafen hat.«
»Sie wollte uns nichts sagen.« Mrs. Fox sah Banks mit ihren kleinen, funkelnden Augen
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