Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
ich. Hören Sie, es ist nur so ein Gedanke, aber verbringt Jason viel Zeit mit seinem Großvater? Könnte er bei ihm vorbeigefahren sein?«
Mrs. Fox schüttelte den Kopf. »Dann hätte mir mein Dad Bescheid gesagt. Er hat ein Telefon. Zuerst wollte er keines, aber wir haben darauf bestanden. Außerdem, Jasons Wagen ...«
»Könnte Ihr Vater mehr über Jasons Freunde und seine Gewohnheiten wissen?«
»Das glaube ich nicht«, sagte Mrs. Fox und fingerte an ihrem Trauring herum. »Sie standen sich einmal nahe, als Jason noch ein kleiner Junge war. Aber Sie wissen ja, wie es ist, wenn die Kinder größer werden.« Sie zuckte mit den Achseln.
Banks wusste es. Er konnte sich noch gut daran erinnern, dass er, als er jung war, die Gesellschaft seiner Großeltern der seiner Mutter und seines Vaters vorgezogen hatte. Vor allem waren sie nachsichtiger mit ihm und häufig gaben sie ihm ein Sixpencestück für Süßigkeiten, das er meistens in Brausepulver, Bonbons oder einer Wundertüte anlegte. Außerdem mochte er das Pfeifenregal seines Großvaters, den Tabakgeruch in dem dunkel vertäfelten Haus und das angelaufene silberne Zigarettenetui mit der Delle, wo es von einer deutschen Kugel getroffen worden war und seinem Großvater somit das Leben gerettet hatte - auf jeden Fall hatte sein Großvater ihm das erzählt. Er hatte die Geschichten über den Krieg geliebt - nicht über den Zweiten, sondern über den Ersten -, und sein Großvater hatte ihn sogar seine alte Gasmaske tragen lassen, die nach Gummi und Staub roch. Oft waren sie tagelang am Nene spazieren gegangen oder hatten an den Schienen gestanden, um den schnittigen, stromlinienförmigen Flying Scotsman vorbeirauschen zu sehen. Doch all das hatte sich geändert, als Banks ins Teenageralter kam, und er hatte noch heute ein schlechtes Gewissen, weil er seinen Großvater ein volles Jahr nicht mehr besucht hatte, bevor der alte Mann starb, während Banks im College in London war.
»Gibt es weitere Familienmitglieder?«, fragte er. »Brüder oder Schwestern?«
»Nur Maureen, meine Tochter. Sie ist gerade achtzehn geworden.«
»Wo ist sie?«
»In der Krankenschwesternschule, oben in Newcastle.«
»Wäre sie in der Lage, uns mit Jasons Freunden zu helfen?«
»Nein. Sie stehen sich nicht besonders nahe. Das taten sie nie. Sie sind so verschieden wie Tag und Nacht.«
Banks schaute zu Susan herüber und gab ihr zu verstehen, dass sie ihr Notizbuch wegstecken konnte. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir einen kurzen Blick in Jasons Zimmer werfen?«, fragte er. »Nur um zu schauen, ob dort etwas ist, was es uns erleichtern könnte herauszufinden, was er vergangene Nacht getan hat.«
Steven Fox stand auf und ging Richtung Treppe. »Ich zeige es Ihnen.«
Die Ordentlichkeit des Zimmers überraschte Banks. Er wusste nicht, warum - Klischeevorstellungen wahrscheinlich -, aber er hatte ein typisches Teenagerzimmer erwartet, so wie das seines Sohnes Brian, das normalerweise aussah, als wäre gerade ein Tornado hindurchgefegt. Doch Jasons Bett war gemacht, die Laken waren so straff über die Matratze gezogen, dass man eine Münze auf ihnen hüpfen lassen konnte, und wenn er schmutzige Wäsche herumliegen hatte, so wie es bei Brian immer der Fall war, dann konnte Banks sie zumindest nicht sehen.
An einer Wand stand ein ähnliches Regal wie im Erdgeschoss, das ebenso mit Langspielplatten und mehreren Reihen Singles vollgestellt war.
»Jason mag Musik, sehe ich«, bemerkte Banks.
»Eigentlich sind das meine«, sagte Steven Fox, trat vor das Regal und fuhr mit seinen langen Fingern über eine Reihe Langspielplatten. »Meine Sammlung. Jason ist einverstanden, dass ich den Platz hier nutze, denn er ist ja nicht so häufig da. Hauptsächlich ist es Zeug aus den Sechzigerjahren. Ich habe 1962 zu sammeln begonnen, als >Love me do< herauskam. Ich habe alles, was die Beatles jemals aufgenommen haben, alles Originale, alle in tadellosem Zustand. Und nicht nur die Beatles. Ich habe alles von den Rolling Stones, von Grateful Dead, Doors, Cream, Jimi Hendrix, The Sear-chers ... Wenn man es auf Vinyl kriegen kann, dann habe ich es. Aber ich nehme an, das interessiert Sie überhaupt nicht.«
Und ob Banks an Mr. Fox' Plattensammlung interessiert war! Zu einer anderen Gelegenheit wäre er mehr als glücklich gewesen, die Platten durchsehen zu dürfen. Dass er Oper und klassische Musik im Allgemeinen liebte, bedeutete nicht,
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