Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
darauf, aber du fragst mich nicht, ob wir Leanne gefunden haben. Bei Ian war es genauso ...«
»Sie haben mit Ian geredet?«
»Heute Morgen. Wundert mich, dass er nicht direkt angerufen hat.«
»Er braucht sich keine Sorgen zu machen.«
»Warum sollte er denn?«
»Weiß ich nicht.«
»Die Sache ist folgende, verstehst du: Normalerweise müsstet ihr mich beide fragen, ob wir Leanne oder ihre Leiche gefunden haben und ob wir ihre Überreste identifiziert haben.«
»Warum?«
»Warum sollte ich sonst mit dir reden wollen?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Aber weil du mich nicht danach gefragt hast, überlege ich, ob du etwas weißt, das du mir noch nicht erzählt hast.«
Mick verschränkte die Arme. »Ich hab Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
Banks beugte sich vor und schaute Mick in die Augen. »Weißt du was? Ich glaube, du lügst, Mick. Ich glaube, ihr lügt alle.«
»Sie können nichts beweisen.«
»Was soll ich denn beweisen?«
»Dass ich lüge. Ich hab Ihnen gesagt, wie es war. Wir sind einen trinken gewesen im Old ...«
»Nein. Du hast uns erzählt, ihr hättet nach dem Kino einen Kaffee getrunken.«
»Ja. Na gut...«
»Das war gelogen, Mick, stimmt's?«
»Ja, und?«
»Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Es lügt sich sogar leichter, je öfter man es tut. Was ist an dem Abend wirklich passiert, Mick? Erzähl's mir doch einfach!«
»Nichts ist passiert. Hab ich schon gesagt.«
»Hast du dich mit Leanne gestritten? Hast du ihr wehgetan? Vielleicht hast du es gar nicht gewollt. Wo ist sie, Mick? Glaub mir, ich bekomme es raus.«
Micks Gesichtsausdruck verriet Banks, dass er etwas wusste, aber nichts gestehen würde. Jedenfalls nicht heute. Banks war genervt und fühlte sich gleichzeitig verantwortlich. Es war seine Schuld, dass dieser Strang der Ermittlungen nicht ordentlich verfolgt worden war. Er hatte sich so sehr auf einen Serienmörder versteift, der junge Mädchen entführt, dass er die Grundlagen der Polizeiarbeit vernachlässigt hatte. Er hatte denen nicht hart genug zugesetzt, die am ehesten wissen konnten, was mit Leanne passiert war: die Freunde, mit denen sie vor ihrem Verschwinden zusammen gewesen war. Er hätte dranbleiben sollen. Schließlich war Ian Scott aktenkundig, und zwar wegen eines Drogendelikts. Aber nein - Leanne wurde als drittes Opfer des unbekannten Serienmörders vermerkt, noch ein hübsches junges blondes Mädchen, und das war's. Winsome Jackman hatte noch ein wenig nachgefasst, aber auch sie hatte die offizielle Version geschluckt. Es war Banks' Schuld, das Ganze, genau wie Sandras Fehlgeburt. Wie alles und jedes, dachte er manchmal.
»Erzähl mir, was passiert ist!«, drängte Banks erneut.
»Das hab ich schon erzählt! Ich hab's Ihnen schon erzählt, verdammte Scheiße!« Mick richtete sich auf. »Nach dem Old Ship ist Leanne nach Hause gegangen. Da haben wir sie zum letzten Mal gesehen. Irgendein perverses Schwein muss sie geschnappt haben. Okay? Das habt ihr doch gedacht, oder? Warum habt ihr's euch jetzt anders überlegt?«
»Ach, es interessiert dich also doch?«, fragte Banks und erhob sich. »Du hast bestimmt die Nachrichten gehört. Wir haben den Mörder, der die Mädchen entführt und getötet hat - er ist tot, kann uns also nichts mehr erzählen -, aber wir haben auf dem Grundstück keine Spur von Leannes Leiche gefunden, und glaub mir, wir haben die Bude gründlich auseinander genommen.«
»Dann muss es ein anderer Perverso gewesen sein.«
»Ich bitte dich, Mick! Dass es einen gibt, kommt schon selten vor, aber dass es zwei geben soll, ist astronomisch. Nein. Es läuft auf euch hinaus. Auf dich, Ian und Sarah. Die Letzten, mit denen sie gesehen wurde. So, ich geb dir ein bisschen Zeit, um darüber nachzudenken, Mick, aber ich komme wieder, darauf kannst du dich verlassen. Dann unterhalten wir uns mal richtig. Ohne Ablenkung. Und bleib bis dahin in der Nähe. Viel Spaß mit der Musik.«
Auf dem Weg zum Auto blieb Banks gerade so lange am Gartentor stehen, dass er sah, wie Mick hinter den Spitzenvorhängen vom Sofa aufsprang und zum Telefon lief.
* 16
Am Montagmorgen fiel das Sonnenlicht durch Banks' Küchenfenster und ließ die an der Wand hängenden Kupferpfannen schimmern. Banks saß mit einer Tasse Kaffee und einem Marmeladentoast am Kieferntisch. Vor sich hatte er die Zeitung, und aus dem Radio erklang
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