Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
trank Lager, und Banks ein Pint Shandy, weil ihm noch eine Vernehmung am Nachmittag bevorstand. Er sah immer noch müde aus, dachte Jenny. Wahrscheinlich raubte ihm der Fall den Schlaf. Dazu der Verdruss über Sandras Schwangerschaft.
Jenny und Sandra waren befreundet gewesen. Nicht eng, aber beide hatten ungefähr zur gleichen Zeit schmerzliche Erfahrungen gemacht, was eine gewisse Nähe zwischen ihnen geschaffen hatte. Seit Jennys Aufenthalt in Amerika hatten sie sich allerdings nicht mehr oft getroffen. Inzwischen vermutete Jenny, dass sie sich nie wieder sehen würden. Wenn sie Partei ergreifen musste, was wohl nicht zu vermeiden war, dann stand sie auf Alans Seite. Sie war davon ausgegangen, dass Sandra und er eine glückliche Ehe führten - schließlich hatte Alan ihr eine Abfuhr erteilt, als sie versucht hatte, ihn zu verführen, und das war etwas Neues für Jenny gewesen -, aber offenbar hatte sie sich geirrt. Da sie selbst nie verheiratet gewesen war, konnte sie es aber nicht so richtig beurteilen. Sie wusste nur, dass der äußere Eindruck oft nicht den inneren Qualen entsprach.
Was Sandra also in der letzten Zeit durch den Kopf gegangen war, blieb ein Geheimnis. Alan hatte gesagt, er sei sich nicht sicher, ob Sandra Sean vor oder nach der Trennung kennen gelernt hatte und ob er der eigentliche Trennungsgrund war. Das bezweifelte Jenny. Wie die meisten Probleme war auch djpses nicht einfach über Nacht entstanden oder durch den Umstand, dass jemand anders die Bildfläche betrat. Sean war nur ein Symptom, ein Ausweg. Das Ganze hatte sich wahrscheinlich über Jahre entwickelt.
»Das Auto«, sagte Banks.
»Ein blauer Citroën.«
»Ja. Das Kennzeichen hast du dir nicht zufällig gemerkt?«
»Ich muss zugeben, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, als ich es zum ersten Mal gesehen habe. Ich meine, warum auch? Das war in Alderthorpe, und ich hab daneben geparkt. Als ich von Spurn Head zurückfuhr, blieb der Wagen immer so weit hinter mir, dass ich das Kennzeichen nicht lesen konnte.«
»Und wo hast du ihn verloren?«
»Ich hab ihn nicht verloren. Als ich westlich von Hull auf die M62 gefahren bin, war er nicht mehr da.«
»Und danach hast du ihn nicht wieder gesehen?«
»Nein.« Jenny lachte. »Ich gebe zu, dass es mir vorkam, als würde ich aus der Stadt gejagt. Du weißt schon, wie in den alten Western.«
»Den Fahrer hast du nicht erkennen können?«
»Nein. Ich könnte nicht mal sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war.«
»Und jetzt?«
»Ich muss noch ein paar Sachen an der Uni erledigen und morgen hab ich Tutorien. Ich könnte sie verlegen, aber ...«
»Nein, brauchst du nicht«, sagte Banks. »Lucy Payne ist eh draußen. Eilt nicht.«
»Also, am Dienstag oder Mittwoch gucke ich mal, ob ich Keith Murray in Durham treffen kann. Dann ist da noch Laura in Edinburgh. Langsam mache ich mir ein Bild von Linda beziehungsweise Lucy, aber ein paar Puzzleteile fehlen noch.«
»Zum Beispiel?«
»Das ist es ja. Ich weiß es nicht. Ich habe einfach nur das Gefühl, dass ich was übersehe.« Sie sah Banks' besorgte Miene und schlug ihm auf den Arm. »Keine Sorge, ich schreib meine Gefühle nicht mit in das Täterprofil. Das sage ich dir nur im Vertrauen.«
»Gut.«
»Man könnte es das fehlende Glied in der Kette nennen. Die Verbindung zwischen Lindas Kindheit und der Möglichkeit, dass Lucy an den Entführungen und Morden beteiligt war.«
»Der sexuelle Missbrauch?«
»Ja, es besteht kein Zweifel, dass viele Menschen, die missbraucht wurden, später selbst missbrauchen - ein Teufelskreis -, und wie Maureen Nesbitt sagt, war Linda schon mit elf Jahren sexuell entwickelt. Aber das allein reicht nicht. Ich kann nur sagen, dass es ein psychopathologisches Verhaltensmuster bei Lucy hervorgerufen haben kann, durch das sie zum willfährigen Opfer eines Mannes wie Terence Payne wurde. Menschen wiederholen oft ihre Fehler und Fehlentscheidungen. Du musst dir nur meine Beziehungen ansehen, um das zu erkennen.«
Banks grinste. »Irgendwann wird es klappen.«
»Dann treffe ich den Ritter in glänzender Rüstung?«
»So einen willst du? Der für dich kämpft und dich anschließend ins Schlafzimmer trägt?«
»Keine schlechte Idee.«
»Ich dachte, du wärst Feministin.«
»Bin ich auch. Heißt ja nicht, dass ich nicht am nächsten Tag für ihn kämpfe und ihn anschließend ins
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