Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
Schlafzimmer trage. Ich sage ja nur, dass etwas Glück mal ganz gelegen käme. Wieso? Darf man als Frau keine Träume mehr haben?«
»Kommt drauf an, wo es hinführt. Hast du schon mal überlegt, ob Lucy Payne vielleicht gar nicht das willfährige Opfer ist, sondern ihr Mann?«
»Nein, hab ich nicht. So was ist mir noch nicht untergekommen.«
»Aber möglich ist es schon?«
»Bei der menschlichen Psyche ist nichts unmöglich. Nur sehr unwahrscheinlich.«
»Aber mal angenommen, sie war die Starke, die Dominante ...«
»Und Terence Payne war der Sklave, der ihr hörig war?«
»So ungefähr.«
»Weiß ich nicht«, antwortete Jenny. »Aber ich bezweifle es. Außerdem bringt es uns selbst dann nicht groß weiter, wenn es stimmt, oder?«
»Wohl nicht. Reine Spekulation. Nachdem du in dem Keller warst, hast du doch gesagt, Payne könnte eine Videokamera benutzt haben, oder?«
»Ja.« Jenny trank einen Schluck Lager und tupfte sich den Mund mit einer Papierserviette ab. »Bei so einem Ritual mit Vergewaltigung, Mord und Bestattung wäre es höchst ungewöhnlich, wenn der Täter keine Erinnerung aufheben würde.«
»Er hatte doch die Leichen.«
»Als Erinnerung? Ja. Das erklärt wohl auch, warum sie nicht weiter verstümmelt wurden, warum er keinen Finger oder Zeh als Souvenir abgeschnitten hat. Er hatte ja die ganzen Körper. Aber das ist noch nicht alles. Einer wie Payne braucht mehr. Er braucht etwas, das es ihm ermöglicht, das Ganze wieder neu durchzuleben.«
Banks erzählte ihr von den Stativabdrücken und dem Katalog des Elektronikhändlers.
»Aber wenn er eine gehabt hat, wo ist sie dann?«, fragte Jenny.
»Das ist die Frage.«
»Und warum ist sie nicht zu finden?«
»Noch eine gute Frage. Glaub mir, wir suchen sie überall. Wenn sie im Haus ist, selbst wenn sie drei Meter tief vergraben ist, dann finden wir sie. Da bleibt kein Stein auf dem anderen, bevor wir nicht alle Geheimnisse kennen.«
»Wenn sie im Haus ist.«
»Ja.«
»Und die Kassetten müssen auch irgendwo sein.«
»Die habe ich nicht vergessen.«
Jenny schob den Teller beiseite. »Ich mach mich wohl besser auf die Socken, damit ich ein bisschen was erledigt bekomme.«
Banks sah auf die Uhr. »Und ich statte jetzt mal Mick Blair einen Besuch ab.« Sanft berührte er ihren Arm. Das Kribbeln ihrer Haut überraschte sie. »Sei vorsichtig, Jenny! Halt die Augen offen, und wenn du das Auto noch mal siehst, rufst du mich sofort an! Verstanden?«
Jenny nickte. In dem Moment sah sie eine fremde Frau näher kommen. Sie bewegte sich mit unbekümmerter, selbstbewusster Anmut. Eine attraktive junge Frau. Die enge Jeans betonte ihre langen, wohlgeformten Beine. Über einem roten T-Shirt trug sie ein offenes weißes Herrenhemd. Kastanienbraunes Haar fiel ihr in glänzenden Wellen auf die Schultern, und der einzige Makel in ihrem glatten Gesicht war ein kleiner Leberfleck rechts neben dem Mund. Selbst der war weniger eine Unzulänglichkeit als das Tüpfelchen auf dem i. Ihre ernsten Augen hatten die Form und Farbe von Mandeln.
Sie trat an den Tisch, zog sich einen Stuhl heran und nahm Platz, ohne aufgefordert worden zu sein. »Detective Inspector Cabbot«, stellte sie sich vor und streckte die Hand aus. »Wir kennen uns, glaube ich, noch nicht.«
»Dr. Füller.« Jenny nahm die Hand. Fester Händedruck.
»Ah, die berühmte Dr. Füller. Freut mich, Sie endlich kennen zu lernen.«
Jenny war nervös. Steckte diese Frau - es war ja wohl die Annie Cabbot - gerade ihr Territorium ab? Hatte sie gesehen, dass Banks Jennys Arm berührte, und es falsch verstanden? War sie gekommen, um Jenny so subtil wie möglich zu verstehen zu geben, dass sie die Hände von Banks lassen sollte? Jenny wusste, dass sie nicht schlecht abschnitt, wenn es ums Aussehen ging, aber sie wurde das Gefühl nicht los, neben Annie irgendwie plump, ja sogar schäbig zu wirken. Und älter. Deutlich älter.
Annie grinste Banks an. »Sir?«
Jenny spürte etwas zwischen den beiden. Erotisches Knistern, ja, aber noch etwas anderes. Hatten sie sich gestritten? Plötzlich wurde es ungemütlich am Tisch, und Jenny hatte das Gefühl, gehen zu müssen. Sie nahm ihre Tasche und wühlte nach dem Autoschlüssel. Warum musste der immer ganz nach unten fallen und zwischen Bürsten, Papiertaschentüchern und Schminke verschwinden?
»Ich will euch nicht beim Essen stören«,
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