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Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt

Titel: Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Variations on a Theme by Thomas Tallis von Vaughan Williams. Doch Banks las nicht, noch lauschte er der Musik.
      Er war schon seit vier Uhr wach; hunderttausend Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf, und obwohl er hundemüde war, wusste er, dass er nicht wieder einschlafen konnte. Wie froh er sein würde, wenn der Chamäleon-Fall vorbei war, wenn Gristhorpe an seinen Schreibtisch zurückkehrte und er wieder seine alte Arbeit als Detective Chief Inspector aufnehmen konnte. Die Verantwortung der letzten anderthalb Monate hatte ihn erschöpft. Er kannte die Symptome: zu wenig Schlaf, schlechte Träume, zu viel Fastfood, zu viel Alkohol und zu viele Zigaretten. Er steuerte geradewegs auf ein Burnout-Syndrom zu, der Erschöpfungszustand, unter dem er vor einigen Jahren bei der Metropolitan Police gelitten hatte. Damals hatte er London verlassen und war in der Hoffnung auf ein ruhigeres Leben nach North Yorkshire gezogen. Er liebte die Ermittlungsarbeit, aber manchmal hatte er das Gefühl, die moderne Polizei sei etwas für junge Männer. Wissenschaft, Technologie und eine veränderte Verwaltungsstruktur hatten das Leben nicht einfacher gemacht, sondern komplizierter. Banks war an die Grenzen seines Ehrgeizes gestoßen, denn an diesem Morgen zog er zum ersten Mal ernsthaft in Erwägung, den Job an den Nagel zu hängen.
      Der Postbote kam. Banks ging zur Tür, um die Briefe vom Boden aufzuheben. Unter der üblichen Sammlung aus Rechnungen und Postwurfsendungen befand sich ein mit der Hand adressierter Umschlag aus London, dessen saubere, schwungvolle Schrift er sofort erkannte.
      Sandra.
      Sein Herz schlug ein bisschen zu schnell, als er den Stapel in die Küche trug, seinen Lieblingsraum im Cottage, hauptsächlich weil er von dieser Küche geträumt hatte, bevor er je hier gewesen war. Was er in Sandras Brief las, genügte allerdings, um den hellsten Raum noch dunkler zu machen, als ihn seine Laune schon vorher verdüstert hatte.
     
    Lieber Alan,
      wie ich erfahren habe, hat Tracy dir erzählt, dass Sean und ich ein Kind erwarten. Ich wollte nicht, dass du es so erfährst, aber jetzt ist es nicht mehr zu ändern. Ich hoffe, dass dieser Umstand dir nun zu verstehen hilft, wie dringend es angeraten ist, unsere Scheidung in die Wege zu leiten, und dass du dich dementsprechend verhältst. Mit freundlichen Grüßen, Sandra
     
    Das War es. Nur eine kalte, förmliche Mitteilung. Banks musste gestehen, dass er nicht gerade prompt auf die Bitte um Scheidung reagiert hatte, aber er hatte keinen Grund gesehen, sich zu beeilen. Vielleicht, war er nun sogar bereit einzuräumen, hatte er sich tief im Innern an Sandra geklammert, vielleicht hatte ein uneinsichtiger, verängstigter Teil seiner Seele stur an der Überzeugung festgehalten, das Ganze sei ein Albtraum oder ein Missverständnis, und er würde eines Morgens wieder in der Doppelhaushälfte in Eastvale aufwachen und Sandra läge neben ihm. Nicht dass er das immer noch wollte, jetzt nicht mehr, aber wenigstens war er gewillt zuzugeben, dass er solch irrationale Gefühle gehegt hatte.
      Und jetzt das.
      Banks legte den Brief zur Seite. Die Zeilen strahlten Kälte aus. Warum konnte er seine Vergangenheit nicht einfach abschütteln und zu neuen Ufern aufbrechen, wie Sandra es getan hatte? Lag es an seinen Schuldgefühlen wegen Sandras Fehlgeburt, an seiner Erleichterung danach, von der er Annie erzählt hatte? Banks wusste es nicht; es kam ihm bloß seltsam vor, dass die Frau, mit der er zwanzig Jahre verheiratet gewesen war, die Mutter seiner Kinder, kurz davor war, das Kind eines anderen Mannes zur Welt zu bringen.
      Er schob den Brief beiseite, nahm seine Aktentasche und ging zum Wagen.
      Am späten Vormittag musste er nach Leeds, zuerst aber wollte er in seinem Büro vorbeischauen, ein bisschen Schreibtischarbeit erledigen und mit Winsome sprechen. Die Strecke von Gratly nach Eastvale gehörte zu den schönsten in der Gegend. Das hatte Banks schon gedacht, als er sie zum ersten Mal gefahren war: eine schmale Straße auf halber Höhe der Hügel, die zu seiner Linken einen spektakulären Blick auf das Tal mit seinen verschlafenen Dörfern und dem sich hindurchschlängelnden Fluss bot und rechts von steil ansteigenden Feldern mit Trockenmauern und Schafen begrenzt wurde. Aber heute nahm er die Schönheit der Natur nicht wahr, zum einen, weil er die Gegend schon zur Genüge kannte, und zum anderen, weil seine Stimmung immer noch von Sandras Brief und

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