Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
übel, dachte er, aber er hatte so einen Hunger, dass er wohl alles verschlungen hätte.
Jenny nickte langsam. »Warum gehen wir immer noch davon aus, dass die Sache mit dem Video nur mit Terence Payne zu tun hat, wo wir Lucy doch schon längst als mögliche Komplizin sehen? Besonders nach dem, was Laura und Keith mir über Lucys Vergangenheit berichtet haben und was diese Prostituierte Alan über Lucys sexuelle Vorlieben erzählt hat. Ich meine, psychologisch gesehen leuchtet es doch ein, dass sie ebenso beteiligt war wie er. Vergesst nicht, dass die Mädchen auf dieselbe Weise getötet wurden wie Kathleen Murray. Sie wurden erdrosselt.«
»Wollen Sie damit sagen, dass sie es gewesen ist?«, fragte Blackstone.
»Nicht unbedingt. Doch wenn das stimmt, was Keith und Laura sagen, dann kann sich Lucy als Erlöserin gesehen haben, wie schon bei Kathleen.«
»Ein Gnadentod? Aber vor ein paar Tagen haben Sie gesagt, sie hätte Kathleen aus Eifersucht getötet.«
»Ich habe gesagt, dass Eifersucht durchaus ein Motiv gewesen sein kann. Ein Motiv, das ihre Schwester Laura nicht wahrhaben wollte. Aber Lucys Beweggründe können vielfältig gewesen sein. Bei einer Persönlichkeit wie ihrer ist nichts eindeutig.«
»Aber warum?«, hakte Blackstone nach. »Selbst wenn sie es getan hat, warum sollte sie dann die Kamera loswerden wollen?«
Banks spießte eine Pommes auf und dachte kurz nach, bevor er antwortete. »Lucy hat panische Angst vor dem Gefängnis. Wenn sie geglaubt hat, dass ihr die unmittelbare Verhaftung droht - und nach dem ersten Besuch der Polizei und der Verbindung zwischen Kimberley Myers und der Sil-verhill-Schule muss sie damit gerechnet haben -, dann hat sie möglicherweise überlegt, wie sie ihre Haut retten kann, oder?«
»Das ist ganz schön weit hergeholt in meinen Augen.«
»Für mich nicht, Ken«, sagte Banks. »Betrachte es mal von Lucys Standpunkt. Sie ist nicht dumm. Schlauer als ihr Mann, wenn du mich fragst. Am Freitagabend entführt Terence Payne Kimberley Myers, er verliert langsam die Übersicht, ist durcheinander. Aber Lucy behält die Nerven, sie sieht das Ende kommen. Als Erstes versucht sie, so viele Beweise wie möglich zu vernichten, unter anderem die Videokamera. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Terry wütend auf sie wird und sich mit ihr streitet. Zu dem Zeitpunkt kann sie natürlich nicht ahnen, wie die Geschichte ausgeht, also improvisiert sie und wartet ab, aus welcher Richtung der Wind weht. Wenn wir Beweise finden, dass sie im Keller gewesen ist...«
»Und die werden wir finden.«
»Und die werden wir finden«, stimmte Banks zu, »dann wird sie dafür ebenfalls eine glaubwürdige Erklärung haben. Sie hat ein Geräusch gehört und ist nachsehen gegangen, und große Überraschung, was sie da entdeckt hat. Dass Payne ihr eins mit der Vase übergezogen hat, hilft ihr nur.«
»Und die Kassetten?«
»Die würde sie nicht wegwerfen«, antwortete Jenny. »Nicht wenn sie eine Erinnerung an das sind, was sie - alle beide -getan haben. Die Kamera ist wertlos, nur ein Mittel zum Zweck. Die kann man ersetzen. Aber die Kassetten müssen für die Paynes wertvoller als Gold sein, sie sind einmalig und durch nichts zu ersetzen. Das sind Lucys Trophäen. Sie kann sie sich immer wieder ansehen und die Zeit mit den Opfern im Keller neu durchleben. Abgesehen von der Tat selbst ist es das Zweitbeste für sie. So was würde sie nicht wegwerfen.«
»Wo sind sie dann?«, fragte Banks.
»Und wo ist Lucy?«, ergänzte Jenny.
»Besteht nicht die entfernte Möglichkeit«, sagte Banks und schob den Teller zur Seite, »dass die Antworten auf die beiden Fragen identisch sind?«
Maggie erwachte mit rasenden Kopfschmerzen und einem flauen Gefühl im Magen. Sie fühlte sich schwach und hatte keine Orientierung; zuerst wusste sie nicht, wo sie war und wie lange sie ohnmächtig gewesen war. Die Vorhänge waren zur Seite gezogen, draußen war es dunkel. Langsam dämmerte ihr, dass sie noch in ihrem Schlafzimmer war. Eine Nachttischlampe war angeschaltet; die andere lag zerbrochen auf dem Boden. Damit musste Lucy sie geschlagen haben. Maggie spürte etwas Warmes, Klebriges in ihrem Haar. Blut.
Lucy hatte sie geschlagen! Die plötzliche Erkenntnis machte sie hellwach. Sie hatte das Video gesehen, auf dem Lucy und Terry das arme Mädchen quälten. Lucy hatte den Eindruck erweckt, als würde es ihr Spaß machen.
Maggie
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