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Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt

Titel: Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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sie ihre Gefühle und betrachtete es distanziert als Beweisstück. Das war es schließlich. Es bewachte das Tor zur dunklen Unterwelt, in der Terence Payne seinen großen Leidenschaften frönte: Herrschaft, sexuelle Unterwerfung, Mord. Hinter diesem anstößigen Wächter galten die Gesetze nicht mehr, die das menschliche Miteinander regelten.
      Jenny und Stefan waren allein im Keller. Allein mit den Toten. Jenny kam sich vor wie ein Voyeur. War sie ja auch. Und wie eine Heuchlerin, weil sie das Gefühl hatte, mit allem, was sie sagte oder tat, nichts ausrichten zu können. Beinahe hätte sie nach Stefans Hand gegriffen. Beinahe.
      Hinter ihr knipste Stefan das Licht aus, und Jenny zuckte zusammen. »Entschuldigung. Es war eigentlich aus«, erklärte er. »Einer von den Sanis hat es angemacht, um besser zu sehen, womit sie es zu tun haben. Dann haben sie es wohl angelassen.«
      Jennys Herz beruhigte sich wieder. Sie nahm den Duft von Räucherstäbchen wahr, daneben andere Gerüche, die sie nicht identifizieren wollte. Das also war sein Arbeitsumfeld - Ehrfurcht gebietend, wie in einer Kirche. Inzwischen waren einige Kerzen heruntergebrannt, manche tropften vor sich hin, aber mehr als ein Dutzend flackerte noch, durch die Spiegel verhundertfacht. Ohne die Deckenbeleuchtung konnte Jenny die Leiche des Polizisten auf dem Boden kaum ausmachen, wahrscheinlich ein Segen. Das Kerzenlicht milderte auch den schrecklichen Anblick des toten Mädchens. Es verlieh der Haut einen rötlich-goldenen Schimmer, so dass Kimberley fast lebendig gewirkt hätte, wäre da nicht ihre anormale Ruhe gewesen und die Art, wie die Augen in den Spiegel an der Decke starrten.
      Keiner da.
      Spiegel. Wohin Jenny auch blickte, sah sie das Spiegelbild von sich, Stefan und dem Mädchen auf der Matratze, gedämpft vom flackernden Kerzenschein. Er sieht sich gern bei der Arbeit zu, dachte sie. Fühlt er sich vielleicht nur auf diese Weise lebendig? Wenn er sich beobachten kann?
      »Wo ist die Videokamera?«, fragte sie.
      »Luke Selkirk ist...«
      »Nein, ich meine nicht die von der Polizei, sondern die von Payne.«
      »Wir haben keine Kamera gefunden. Warum?«
      »Schauen Sie sich diese Bühne an, Stefan. Dieser Mann sieht sich gerne bei der Arbeit zu. Es würde mich wirklich wundern, wenn er seine Taten nicht irgendwie festgehalten hätte, oder?«
      »Jetzt, wo Sie das sagen, ja«, erwiderte Stefan.
      »So was ist normal bei Sexualmorden. Er braucht ein Souvenir. Eine Trophäe. Und meistens auch ein visuelles Hilfsmittel, damit er sein Erlebnis erneut durchleben kann, bevor er wieder aktiv wird.«
      »Wir wissen mehr, wenn die Spurensicherung mit dem Haus durch ist.«
      Jenny folgte dem phosphorisierenden Streifen, der den Weg zum Kellervorraum auswies. Die Leichen dort waren noch nicht berührt worden, sondern warteten auf den Erkennungsdienst. Im Schein von Stefans Taschenlampe sah Jenny die Zehen aus dem Boden ragen. An anderen Stellen vermeinte sie Finger, eine Nase, vielleicht ein Knie zu erkennen. Die Menagerie des Todes. Vergrabene Souvenirs. Sein Garten.
      Stefan wurde unruhig, und Jenny merkte, dass sie sich an ihm festhielt, ihm die Fingernägel in den Arm grub. Sie kehrten in den kerzenbeleuchteten Keller zurück. Jenny stellte sich vor Kimberley und musterte ihre Wunden, die kleinen Schnitte und Kratzer. Sie musste weinen, konnte nichts dagegen tun. Lautlose Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. Jenny wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und hoffte, Stefan habe nichts gemerkt. Wenn doch, war er wohlerzogen genug, um nichts zu sagen.
      Plötzlich wollte sie weg. Es war nicht nur der Anblick von Kimberley Myers auf der Matratze, der Geruch von Räucherstäbchen und Blut, die im Kerzenlicht flackernden Spiegelbilder, sondern all diese Eindrücke zusammen. Dort zu stehen und mit Stefan das Grauen zu betrachten, flößte ihr Platzangst und Übelkeit ein. Sie wollte nicht mit einem Mann hier sein und das fühlen, was sie gerade empfand. Es war abstoßend. Es war etwas Abstoßendes, das Männer Frauen antaten.
      Jenny versuchte ihr Zittern zu verbergen und berührte Stefans Arm. »Fürs Erste habe ich genug gesehen«, sagte sie. »Gehen wir! Ich würde mir gerne den Rest des Hauses angucken.«
      Stefan nickte und ging zur Treppe. Jenny hatte das verfluchte Gefühl, dass er genau wusste, wie es ihr ging. Verdammt noch mal, dachte sie, auf meinen sechsten Sinn kann ich im Moment gut

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