Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
erfahren. Dafür sind Sie verantwortlich, verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Und wir brauchen einen, der die Todesnachricht überbringt.« Er wies auf das Haus. »Wir müssen Kimberleys Eltern Bescheid sagen, damit sie es nicht aus den Nachrichten erfahren. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass sie die Leiche identifizieren.«
»Das mache ich, Sir.«
»Nett von Ihnen, Karen, aber Sie haben schon alle Hände voll zu tun. Und es ist eine undankbare Aufgabe.«
Karen Hodgkins ging zu ihrem Auto. Ehrlich gesagt, war Banks der Meinung, Karen besäße nicht das nötige Feingefühl für die Überbringung der Todesnachricht. Er konnte es sich bildlich vorstellen: der Schock der Eltern, ihr Gefühlsausbruch, die peinlich berührte, schroffe Karen. Nein. Er würde Dickerchen Jones hinschicken. Detective Constable Jones mochte schlampig sein, aber Mitleid und Anteilnahme sickerten ihm aus jeder Pore. Der Mann hätte Pastor werden sollen. Wenn man eine Soko aus einem so großen Kreis zusammenstellte, ergab sich unter anderem das Problem, dass man die einzelnen Kollegen nie gut genug kennen lernte. Was nicht hilfreich war, wenn es um die Zuweisung von Aufgaben ging. Bei der Polizei brauchte man den geeigneten Beamten für die jeweilige Arbeit, eine falsche Entscheidung, und die gesamte Ermittlung war ruiniert.
Banks war einfach nicht daran gewöhnt, ein so großes Team zu leiten, und die Organisationsprobleme hatten ihm mehr als einmal Kopfschmerzen bereitet. Die Verantwortung machte ihm gehörig zu schaffen. Er fühlte sich nicht befähigt, damit umzugehen und so viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Er hatte bereits kleinere Fehler gemacht und Situationen mit Kollegen falsch eingeschätzt. Es war schon so weit, dass sich bei ihm der Gedanke einschlich, seine Kompetenz im Umgang mit Menschen sei ausgesprochen gering. Mit einer kleinen Mannschaft zu arbeiten, war einfacher - Annie, Winsome Jackman, Sergeant Hatchley. Da konnte er jede winzige Kleinigkeit im Kopf behalten. Diese neue Art von Arbeit hatte er zwar schon bei der Metropolitan Police, der Hauptstadtpolizei in London, verrichtet, nur war er da noch Constable beziehungsweise Sergeant gewesen und hatte Befehle erhalten, anstatt sie zu erteilen. Selbst als Inspector hatte er in London auch zum Schluss niemals so viel Verantwortung tragen müssen.
Gerade hatte sich Banks die zweite Zigarette angezündet, da fuhr ein weiterer Wagen durch die Absperrung. Dr. Jenny Füller stieg aus. Sie mühte sich mit einer Aktentasche und einer prall gefüllten ledernen Umhängetasche ab und war wie immer in Eile, als komme sie zu spät zu einem wichtigen Termin. Ihre zerzauste rote Mähne fiel ihr über die Schultern. Ihre Augen waren so grün wie Gras nach einem Frühlingsregen. Die Sommersprossen, Krähenfüße und ihre etwas schiefe Nase, über die sie sich immer beklagte, sie ruiniere ihr Aussehen, machten sie nur noch attraktiver.
»Morgen, Jenny!«, grüßte Banks. »Stefan wartet schon im Haus. Alles klar?«
»Was soll das denn sein? Vorspiel auf Yorkshire-Art?«
»Nein. Das soll heißen: Bist du wach?«
Jenny zwang sich zu einem Lächeln. »Schön, dass du fit bist, und das zu dieser unmenschlichen Uhrzeit.«
Banks sah auf die Uhr. »Jenny, ich bin schon seit halb fünf auf den Beinen. Jetzt ist es gleich acht.«
»Sag ich doch«, gab sie zurück. »Unmenschlich.« Sie schaute zum Haus hinüber. Eine Vorahnung huschte über ihr Gesicht. »Es ist schlimm, oder?«
»Ja, sehr.«
»Kommst du mit?«
»Nein. Ich hab genug gesehen. Außerdem muss ich los und AC Hartneil informieren, sonst macht der mich zur Schnecke.«
Jenny holte tief Luft und wappnete sich. »Okay«, sagte sie. »Wohlauf! Los geht's!«
Dann ging sie ins Haus.
Das Büro von Area Commander Philip Hartneil war, wie es einem hohen Tier gebührte, groß. Und ziemlich leer. Hartneil hielt nichts davon, sich häuslich niederzulassen. Dies ist ein Büro, schien das Zimmer zu rufen, nichts anderes. Einen Teppich gab es natürlich - ein Area Commander hatte ein Anrecht auf einen Teppich - ebenso einen Aktenschrank und ein Regal mit Handbüchern über technische und verfahrensrechtliche Fragen. Auf dem Schreibtisch lagen eine jungfräuliche Schreibunterlage und eine Aktenmappe aus Leder, daneben stand ein eleganter schwarzer Laptop. Das war alles. Keine persönlichen Fotos. An der Wand hing lediglich ein Stadtplan. Das Fenster
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