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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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schlich. Er konnte sich nicht die Zähne putzen, weil er dazu im Badezimmer das Licht hätte einschalten müssen und das Wasser gerauscht hätte. Er glaubte, sich auch im Dunkeln ausziehen und ins Bett krabbeln zu können. Es würde zwar quietschen, aber daran konnte er nichts ändern. Zum Glück war er so klug gewesen, noch bei Kay zur Toilette zu gehen.
      Kaum hatte er den Treppenabsatz erreicht, hörte er seine Mutter mit seinem Vater reden, der brummend etwas erwiderte. Genau verstehen konnte Banks nichts, aber er wusste, dass es um ihn ging, um seine späte Heimkehr. Er spürte, dass er rot wurde. Es war völlig egal, wie leise er sich verhielt: Seine Mutter hatte wach gelegen, bis er wieder da war, genau wie damals, als er noch zu Hause wohnte.
     
     
    * 15
     
    Obwohl er spät schlafen gegangen war, wachte Banks früh am Sonntagmorgen vom Geräusch des Regens auf, der von heftigen Böen gegen sein Zimmerfenster gepeitscht wurde. Im übrigen Haus war es ruhig, er glaubte nicht, dass seine Eltern schon aufgestanden waren. Sein erster Gedanke war, was um alles in der Welt Kay und er in der letzten Nacht getan hatten, doch je länger er darüber nachdachte, desto weniger bereute er es. Dann war es halt die Schuld von Billie Holiday, dachte er, oder es lag am Tanzen, an der alten Siedlung und der alten Liebe. Egal, was es war, es war etwas Besonderes gewesen. Er wollte keine Schuldgefühle haben.
      Er konnte nur hoffen, dass sich Kay in der feuchtgrauen Morgendämmerung genauso fühlte.
      Als er aufstand und zu seiner Reisetasche ging, die im Schrank stand, fielen ihm zwei Dinge gleichzeitig ein: dass er vergessen hatte, Kay ihre alte Ausgabe von Lady Chatterleys Liebhaber zurückzugeben, und dass er überzeugt war, ein winziges, säuberlich gefaltetes Quadrat Silberpapier in ihrem Badezimmermülleimer gesehen zu haben. Vielleicht hatte Mrs Summerville zum Ende ihres Lebens mit Kaugummikauen begonnen, auch wenn er das bezweifelte. Oder aber Kay tat es, obwohl er am Abend nichts davon bemerkt hatte. Außerdem hatte sie im Zeitungsladen Minzbonbons gekauft, kein Kaugummi. Das nährte in ihm den starken Verdacht, dass Geoff Salisbury irgendwann in den letzten Wochen bei den Summervilles gewesen sein musste, und nahm ihm fast jeden Zweifel, was das Schicksal der hundert Pfund anbetraf.
      Was sollte er bloß mit ihm machen? Das war hier die große Frage.
      Banks zog die Tasche aus dem Schrank und streckte sich. Er beschloss, den Tag schlicht gekleidet zu beginnen: Jeans und Pullover mit Polokragen. Für die Feier später wollte er sich umziehen. Dies war der große Tag seiner Eltern, Roy würde aus London kommen. Banks nahm sich vor, seinen Eltern zuliebe nett zu seinem Bruder zu sein.
      Als er die Tasche wieder in den Schrank schob, entdeckte er mehrere Pappkartons. Beim letzten Besuch hatte er alte Schallplatten und Tagebücher gefunden, die waren noch da, aber jetzt war offenbar noch mehr hinzugekommen. Neugierig öffnete er die andere Schranktür und holte den Karton heraus. Der Deckel war zugeklappt, aber nicht zugeklebt, und obendrauf stand in der unnachahmlichen Handschrift seiner Mutter: Alan. Also noch mehr Relikte aus seiner Kindheit.
      Obenauf lagen alte Zeugnisse, diesmal vom Gymnasium, in denen er zumeist aufgefordert wurde, sich mehr anzustrengen, er könne mehr, wenn er sich nur richtig reinknien würde usw. Die Zeugnisse waren mit schwarzer Tinte handgeschrieben, hin und wieder hatte Banks Schwierigkeiten, die Kommentare zu entziffern. Er erinnerte sich an einige Namen: Mr Newman, Mr Phelps, Mr Hawtry. Aber die meisten sagten ihm nichts mehr.
      Bei den Zeugnissen lag ein Klassenfoto vom 14. Mai 1967. Da standen sie alle, drei Reihen heranwachsender Jungen in Schuluniform. Banks kannte noch viele Gesichter: Steve Hill, Paul Major, Dave Grenfell, seine besten Freunde, dann Tony Green, John McLeod, der berüchtigte Schläger, und Ian Marston, der sich vor sieben oder acht Jahren umgebracht hatte, als er mit seinem Kurierdienst gescheitert war, wie Banks' Mutter berichtet hatte. An die Übrigen konnte er sich kaum erinnern, vielleicht hier und dort an ein Detail, ein langes Gesicht voller Sommersprossen, eine große Nase, abstehende Ohren, aber er wusste die Namen nicht mehr. Bei seinem letzten Besuch hatte er sich mit Dave Grenfell und Paul Major getroffen und erfahren, dass Steve Hill an Lungenkrebs gestorben war, aber was aus den anderen geworden war, wusste Banks nicht. Einige

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