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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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mochten tot sein, andere im Sterben liegen, wieder andere Erfolg haben, manche scheitern, ein paar mochten kriminell sein, viele waren wohl geschieden. Ein aufsässig wirkender Junge war dabei, der mit großspurigem Gesichtsausdruck in die Kamera schaute, das schwarze Haar ein klein wenig zu lang, die Krawatte leicht schief, der oberste Knopf entgegen der Schulvorschrift geöffnet - das war er selbst. Ein noch größeres Rätsel als die anderen.
      Dann kamen Schulhefte mit Rechenaufgaben und Aufsätzen. Eines enthielt Gedichte, die Banks geschrieben hatte, als er die Entwicklungsphase durchmachte, in der Lyrik ein vertretbares Ausdrucksmittel war, solange man seine Ergüsse für sich behielt. Unerträglich verlegen sah er sich nun die Gedichte wieder an. Dazu schlug der Herbstregen gegen die Fensterscheibe.
      Es waren Zeilen über die Unsicherheit des Heranwachsens, Liebesgedichte für Julie Christie und Judy Geeson, Lyrik über die Falschheit der Welt. Natürlich reimte sich nichts, auch hatte er das Metrum nicht sonderlich beachtet; die Zeilen endeten immer dann, wenn sie aufhören sollten, nur damit es auf dem Blatt wie ein Gedicht aussah. Und alles war kleingeschrieben. Na, überlegte Banks, soweit er wusste, war das nicht viel anders als die Sachen, die die meisten Dichter heute veröffentlichten. Furchtbare Ausdrücke und Bilder sprangen ihn an: »Ich fühle mich wie eine Leiche/im Sarg deines Denkens.« Wie um alles in der Welt war er auf solche Sätze gekommen? Worum ging es da überhaupt? Er wusste nicht mal mehr, wessen Denken der Sarg gewesen sein sollte. Dann fand er ein Gedicht mit der Überschrift »Für Kay«, das folgende unsterblichen Zeilen enthielt:
     
    ich glitt über dein leben wie ein kiesel übers wasser
    ich versank
    schnell wich die flut
     
    Was hatte er dabei gedacht? Es gab noch ein Bild über sie, »nackt/ auf einem Schaffell / vor knisterndem feuer«, obwohl Banks sich nicht erinnern konnte, jemals mit ihr auf einem Schaffell gelegen zu haben. Außerdem knisterten die elektrischen Kamine nicht, die sie in der Siedlung hatten. Dichterische Freiheit?
      Er dachte an das erste Mal in diesem Zimmer, als seine Eltern nicht zu Hause gewesen waren. Sie hatten sich unbeholfen angestellt, es war weit weniger bedeutsam für beide, als er sich in seiner Phantasie ausgemalt hatte, aber letztendlich war es ganz passabel gelaufen, und sie beschlossen, dass es ihnen gefallen hatte und sie es wiederholen wollten. In den nächsten Monaten wurden sie immer besser, stahlen sich hier und dort eine Stunde, wenn die Eltern nicht da waren. Einmal waren sie fast erwischt worden, als Kays Mutter früher als erwartet vom Zahnarzt zurückkam. Sie konnten sich gerade noch rechtzeitig anziehen und das Bett machen und erzählten ihr, sie hätten Musik gehört, obwohl Banks an dem Gesichtsausdruck von Mrs Summerville ablesen konnte, dass das zerzauste Haar ihrer Tochter etwas anderes verriet. Kay erzählte ihm später, dass sie am Abend eine Standpauke über die Gefahren von Jugendschwangerschaften und den Ruf von Frauen bekam, die sich nicht für die Ehe »aufsparten«. Banks oder die Ereignisse des Nachmittags wurden allerdings nicht erwähnt, und es versuchte auch niemand, ihnen ihre Treffen zu verbieten.
      Lächelnd schob Banks das Heft mit den Gedichten in seine Reisetasche. Er wollte es zu Hause in seinem Cottage in Gratly verbrennen. Dabei fiel ein Zeitungsausschnitt zwischen zwei leeren Seiten heraus. Es war ein Bericht aus der Lokalzeitung über das Verschwinden von Graham Marshall, ein Schulkamerad von Banks und der Grund für seinen Aufenthalt in Peterborough im letzten Sommer. Neben dem Artikel war ein Foto von Graham mit seinem hellen Haar, dem melancholischen Gesichtsausdruck und seiner blassen Haut. Er sah aus wie ein Dichter des Fin de Siecle.
      Banks kramte erneut im Karton und fand weitere 45er-Singles, die er ganz vergessen hatte: A Whiter Shade of Pale von Procol Harum, Juliet von den Four Pennies, Hippy Hippy Shake von Swinging Blue Jeans, Summer in the City von Lovin' Spoonful, Elvis Presleys Devil in Disguise und Still I'm Sad von den Yardbirds.
      Banks stellte den Karton auf einen anderen mit der Aufschrift »Roy« und ging auf Zehenspitzen nach unten in die Küche, um eine Tasse Tee zu trinken. Er bekam fast einen Herzinfarkt, als er Geoff Salisbury am Küchentisch sitzen und einen Toast essen sah.
      »Morgen, Alan!«, grüßte Geoff. »Ich wollte ein bisschen

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