Inspector Banks kehrt heim
Schublade voller Schokoriegel und Süßigkeiten.«
»Ich dachte, Diabetiker müssten Zucker meiden wie die Pest?«
»Dachte ich auch. Müssen Sie auch. Es sei denn, sie sind unterzuckert. Dann brauchen sie eine große Dosis.«
»Sonst?«
»Sonst fallen sie ins Koma und sterben. Bei Mrs Salisbury gab es noch andere Komplikationen. Ein schwaches Herz zum Beispiel.«
»Was sagt Kollege Ryan?«
»Dass der Arzt keine zuckerhaltigen Produkte in der Nähe von Mrs Salisburys Bett finden konnte und ihm das an sich schon merkwürdig vorkam. Seiner Meinung nach - also Ryans - war Geoff Salisbury schuld an ihrem Tod, weil er wusste, dass sie irgendwann eine große Portion Zucker brauchen würde.«
»Willst du damit sagen, dass er seine eigene Mutter umgebracht hat?«
»Sterbehilfe, aber trotzdem Mord.«
»Du meine Güte«, sagte Banks. »Das ändert alles.«
»Ja?«
»Ich hatte schon überlegt, die Sache auf sich beruhen zu lassen.«
»Jetzt nicht mehr?«
»Nein. Ich danke dir vielmals, Annie.«
»Gern. Sehen wir uns morgen?«
»Klar. Noch mal danke.«
Fehlende Schokolade. Ein kaputtes Ventil am SauerstofFgerät. Banks fragte sich, bei wem Geoff Salisbury in den letzten Minuten noch nachgeholfen hatte. Und wie lange es dauern würde, bis sein Vater den nächsten Anfall bekam und seine Nitroglyzerin-Tabletten nicht finden konnte. Banks schob sein Handy in die Tasche und steuerte schnurstracks auf das Haus von Geoff Salisbury zu.
* 20
»Hören Sie, Sie lassen ja offensichtlich nicht locker bei der Sache, was?«, sagte Salisbury, nachdem Banks ihn informiert hatte, dass er von der Vorstrafe wusste. »Gut, ich war im Gefängnis. Dafür muss ich mich nicht schämen. Ich habe meine Zeit abgesessen.«
»Ich finde«, sagte Banks, »dass man sich wohl dafür schämen muss. Aber da sind die Betroffenen oft anderer Ansicht. Waren Sie auch unschuldig, so wie alle anderen?«
»Nein, ich habe das getan. Ich wusste nicht mehr ein noch aus, und die Frau brauchte das Geld nicht, deshalb habe ich sie betrogen. Ich behaupte nicht, stolz darauf zu sein, aber wie schon gesagt, ich habe meine Zeit abgesessen, ich habe meine Schuld gegenüber der Gesellschaft abgebüßt.«
Die Schuld gegenüber der Gesellschaft. Roys Worte. Wenn man drüber nachdachte, eigentlich ein sonderbarer Satz. »Schön, wenn das so einfach wäre«, sagte Banks. Salisburys Wohnzimmer war nicht so sauber und aufgeräumt, wie er erwartet hatte, aber vielleicht verbrauchte Salisbury all seine Kraft bei anderen Leuten und hatte für sein Haus nichts übrig. In den Ecken sammelte sich Staub, der Teppich war verschlissen; in einer halbleeren Kaffeetasse auf dem Tisch schwamm Schimmel.
»In Ordnung«, sagte Salisbury. »Nehmen wir einfach mal an, ich hätte tatsächlich Menschen bestohlen. Dennoch gibt es Leute, die glauben, dass ich hier die gute Seele bin.«
»Was soll das heißen?«
»In so einem Viertel brauchen die alten Leute jemanden, der ihnen hilft, der auf sie aufpasst. Es gibt nicht mehr viele von ihnen, und wenn es so weit ist, rücken über die Warteliste meistens nur junge Leute nach. Sie wissen genauso gut wie ich, was das für welche sind. Mädchen, die gerade mit der Schule fertig sind und drei Kinder haben, aber keinen Mann. Oder solche wie die, die neben Ihren Eltern wohnen. Abschaum. Sie sind bei der Polizei, Alan, Sie können mir nicht erzählen, dass der Kerl nicht >Knast< auf seine Stirn tätowiert hat. Und bei den Kindern ist das wohl nur eine Frage der Zeit. Und wenn es nicht solcher Dreck ist, dann sind's Ausländer. Kanacken, Kaffern, Pakis. Die mit dem Turban. Die kommen mit ihren komischen Bräuchen, schlachten Ziegen auf der Straße und scheren sich nicht die Bohne um unsere Lebensweise und Tradition. Verstehen Sie, die alten Leute bekommen Angst, wenn um sie herum alles auf einmal bedrohlich und fremd ist. Ihre Welt ändert sich so schnell, und sie können nicht mehr so wie früher, sie fühlen sich alleingelassen und haben Angst. Da können sie einen wie mich gut gebrauchen. Ich beruhige sie, erledige dies und das, ich habe ein freundliches Gesicht, das sie kennen. Wenn ich nun dadurch ein bisschen Geld verdienen würde? Rein theoretisch?«
»Dann würde ich rein theoretisch sagen, dass Sie ein Dieb sind.«
»Leeres Gerede, mehr nicht.«
»Nein, unsere Rechtsprechung.«
»Na, Sie müssen das ja
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