Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Vorahnungen durch das Wohnzimmer lief, war er sich ziemlich sicher, daß die Bastarde ihn mal wieder hatten hängen lassen. Und das bestätigte sich nun.
»Er hat eine Kruste!«
»Das ist schon in Ordnung.« Tim kam in die Küche geschlendert und griff nach dem Flaschenöffner. »Warum brichst du sie nicht einfach auf und rührst sie unter?«
»Das ist ein Cassoulet, mein Gott...«
»Um Himmels willen, jetzt hör endlich auf, die Hände zu ringen. Es ist doch bloß ein Eintopf.«
»Ein Eintopf! Ein Eintopf!«
»Wenigstens können wir nun nicht mehr behaupten, daß niemand in diesem Hause eine Kruste hätte.«
»Mehr als ein Witz fällt dir nicht dazu ein?«
»Es war nicht so gemeint. Ich bin nur einfach hungrig. Und wenn du dir wirklich solche Sorgen darum gemacht hast, hättest du doch früher nach Hause fahren können.«
»Und du hättest gefälligst ins Theater kommen können.«
»Ich war mit der Bestellung von Faber beschäftigt.« Tim lächelte und spielte damit den Ärger in seiner Stimme herunter. Wenn Avery in dieser Verfassung war, würde es sicher Mitternacht werden, ehe er einen Happen in den Mund bekam.
»Und die Anrufe waren von Camelot-Antiquitäten. Es ging um unsere Fußbank, und Derek Barfoot hat durchgeklingelt, um uns für Sonntag zum Essen einzuladen.«
»Oh.« Avery sah verlegen, erleichtert, dankbar und ermutigt zugleich aus. »Danke schön.«
»Sieh mal. Warum nehmen wir nicht einfach diesen Löffel mit den Löchern und...«
»Nein! Du wirst es wohl nie kapieren!« Avery stand vor seiner Kasserolle wie eine Mutter, die ihre Kinder vor einer rasenden Bestie beschützt. »Ich habe eine bessere Idee.« Er holte eine Schachtel mit Papiertüchern hervor und legte mit langsamer und ausgesuchter Vorsicht ein halbes Dutzend davon auf die gekräuselte oberste Schicht. »Das wird die ganzen Stücke aufsaugen, und dann kann ich alles zusammen mit einem Fischmesser abheben.«
»Ich dachte, das Beste säße unten«, brummte Tim, ging zur Speisekammer und holte den Wein.
Die Speisekammer war in Wirklichkeit Averys Domäne, aber sie hatte eine Nische aus Steinfliesen mit einem Gitterfenster an der Außenwand, durch das sie wunderbar kühl blieb und damit genau die richtige Temperatur für ein Weinregal hatte. Der winzige Raum war hell erleuchtet und vollgestopft mit Vorräten. Walnüsse und Haselnüsse und Sesamöl. Oliven, Kräuter und Pralinen aus der Provence. Anchovis und Provolone, Trüffel in kleinen Gläsern. Dosen mit Muscheln und Szechuanpfefferkörnern. Kartoffelmehl und viele Senfsorten. Prosciutto und Wasserkastanien. Ein Schinken mit faltiger, ledriger Haut in der Farbe von Süßholz hing neben der duftenden Salami von der Decke herab. Kleine Amaretti und Schnecken. Tomatenmark und Maronenpüree, geräucherter Fisch und Seehase, Möweneier und Regenpfeifereier und eine Chilisauce, die so scharf war, daß sie Steine aus einem Hufeisen hätte schlagen können. Tim schob einen Topf mit Pfirsichen in Brandy zur Seite, nahm eine Flasche aus dem Regal und ging in die Küche zurück.
»Welche willst du aufmachen?«
»Den Chateau d’Issan.«
Avery kaute auf seinen weichen, dicken Lippen (der kleine beruhigende Tropfen, den die Telefonate verursacht hatten, war nun verschwunden und hatte sich in einen großen See allgemeinerer Befürchtungen verwandelt) und beobachtete, wie Tim den Korkenzieher drehte, die Chromflügel nach unten drückte und mit einem sanften Plopp den Korken aus der Flasche zog. Avery fand, das sei der zweitschönste Klang auf Erden (und folgte dicht hinter dem Geräusch eines Reißverschlusses, der aufgezogen wird), während ihm der schreckliche Verdacht kam, es sei Tims Lieblingsgeräusch. Nun, da er die glatten, dunklen, seidigen Haare auf dem Handrücken seines Geliebten sah, auf die das Küchenlicht einen Flimmer zauberte, und während er beobachtete, wie seine eleganten Hände die Flasche kippten und den duftenden Wein einschenkten, stieg in Averys Bauch dieses vertraute Gefühl auf, eine Mischung aus Schrecken und Entzücken. Tim zog sein Jackett aus und legte eine olivgrüne Rehlederweste und ein schneeweißes Hemd frei, dessen Ärmel von altmodischen elastischen Bändern gehalten wurden. Dann senkte er seine schmale, ästhetische Nase über das Glas und schnupperte daran.
Avery würde nie verstehen, wieso jemand, der so leidenschaftlich auf das achtete, was er trank, nicht
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