Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Rampe und starrte herausfordernd in die Reihe C. Die Everards flatterten mit ihren Eidechsenlidern und vollführten hinter ihm ihre Kapriolen. Tim und Avery, die eine mögliche Auseinandersetzung witterten, verließen das Beleuchterkabinett, und der ganze Bühnenstab versammelte sich. Harold stand auf und bestieg die Bühne, wobei er ein ehrfurchtgebietendes Potential ausstrahlte.
»Nun, meine Lieben«, schrie er, als er die Stufen hinaufstieg, »wir stehen hier vor einem ungelösten Problem, und ich bin ganz Ohr, ehe ich mit einem meiner eigenen Vorschläge aufwarte, und ich brauche euch wohl kaum zu sagen, daß ich davon Myriaden parat habe.« Stille. »Sagt nicht, ich wäre nicht offen für neue Ideen, aus welcher Richtung sie auch immer kommen mögen.« Die Stille füllte sich mit ungläubigem Staunen und einer gewissen Verblüffung, als hätte jemand mit einem Baseballschläger darauf eingeschlagen. »Nicholas? Dir scheint gerade ein Gedanke zu kommen.«
»Der kommt doch immer auf dumme Gedanken«, warf Avery ein.
»Nun ja...«, zögerte Nicholas. »Ich frage mich, ob es nicht sehr aufregend wirken könnte, wenn Salieri mit dem Rücken zum Publikum stünde. Eine ausladende Geste.« Er sprang auf die Füße, um sie vorzuführen. »So etwa...«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Esslyn. »Es gibt wohl nichts, was du nicht tätest, um meine Vorstellung zu sabotieren. Glaubst du wirklich, du könntest mich dazu überreden, den aufregendsten Moment meiner ganzen Karriere mit dem Rücken zum Publikum zu spielen?«
»Welcher Karriere?«
»Natürlich weiß hier jeder, daß du neidisch bist...«
»Ich? Neidisch? Auf dich?« Der Funke Wahrheit in dieser Aussage brachte Nicholas wie Fett in der Pfanne zum Zischen.
»Ha!«
»Ich an deiner Stelle würde schnell zurück in meinen Sumpf kriechen, Nicholas«, höhnte einer der Venticellis. »Bevor du noch so eine brillante Idee hast.«
»Genau«, stimmte der Zwilling zu. »Zurück in den Morast mit dir.«
»Das wäre aber ein seltsamer Tag«, fauchte Nicholas, »an dem ich auf zwei so dämliche Buchstützen hören würde.«
»Aber, aber«, funkte Harold dazwischen. Er liebte Temperamentsausbrüche bei seinen Darstellern, weil er fest daran glaubte, sie seien ein Zeichen für angeborenes Talent. »Esslyn, es wäre doch tatsächlich wirkungsvoller...«
»Vergiß es, Harold.«
Alle saßen kerzengerade da. Von einem offenen Streit zwischen dem CADS-Regisseur und seinem Hauptdarsteller hatte man noch nie gehört. Harold gab Esslyn Regieanweisungen. Esslyn tat daraufhin, was er wollte, ganz so, als hätte Harold nie etwas gesagt. Harold ignorierte das. So war es bisher immer gewesen. Nun waren alle Augen auf Harold geheftet, weil jeder ganz genau sehen wollte, was er nun tun würde. Verschiedene Emotionen huschten über seine geröteten Gesichtszüge. Erstaunen, Ärger, Wut und schließlich (nach einem schweren Kampf) Zustimmung.
»Es ist doch wohl klar«, erwiderte er endlich, und überspielte das Unglaubliche, »daß ich nie einen Darsteller dazu treiben würde, etwas zu tun, was seiner Art zu arbeiten völlig zuwider ist. Es würde bei der Aufführung einfach nur hölzern und künstlich wirken und damit jeglicher Überzeugungskraft entbehren.« Und dann ließ er schnell die Frage folgen: »Hat jemand noch eine andere Idee?«
»Was ist denn mit diesen Beuteldingern?« fragte Rosa. »Die, über die wir früher schon einmal gesprochen haben?«
»Sie funktionieren nicht. Oder besser gesagt«, fuhr Harold fort, um sich zu revanchieren, »Esslyn kann nicht damit umgehen.«
»Du ziehst einen Trick wie diesen nicht gleich beim ersten Mal gekonnt ab«, entgegnete Esslyn. »Du mußt so was üben, was ich ja schlecht kann, weil du mir jedesmal, wenn ich dich um etwas bitte, molto costoso ins Gesicht brüllst.«
»Dann mußt du eben durch deine Schauspielkunst das Publikum davon überzeugen, daß du blutüberströmt bist«, sagte Rosa und lächelte süßlich. »Ich bin ganz sicher, wenn das überhaupt jemand kann, dann bist du das.«
»Autsch!« stöhnte Kitty und tauschte wie im voraus vereinbart einen klagenden Blick mit ihrem Ehemann aus. Es war ein komplizierter Blick, der es nicht nur fertigbrachte zu unterstellen, daß Rosa auf das gegenwärtige Glück ihres Ex-Mannes eifersüchtig war, sondern auch, daß sie nicht ganz richtig im Kopf sein konnte. Die Regieassistentin räusperte
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