Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
doch von dem nicht unterkriegen lassen. So ein Wichser.« Dann fügte er eilig hinzu: »Entschuldige mein Französisch.«
»Oh, wenn das Französisch war«, flüsterte Dierdre schüchtern, »dann habe ich es nicht verstanden, fürchte ich. Nun, gut... wir wollen mal sehen, ob es klappt.« Sie reichte Esslyn das Rasiermesser, der es ängstlich in die Hand nahm. »Du kannst es ja erst mal an deinem Daumen ausprobieren.«
»Ich werde es sicher erst an dem Daumen von jemand anderem ausprobieren«, antwortete Esslyn kurz und bündig und gab es ihr zurück. Daraufhin demonstrierte ihm Dierdre entgegenkommend, daß das Messer jetzt völlig ungefährlich war. Esslyn entgegnete nur: »Hm«, und fuhr mit der Klinge erst vorsichtig, dann etwas fester über seine Hand. »Scheint in Ordnung zu sein. Richtig... Harold?«
Esslyn wartete, bis sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet hatte. Dann stellte er sich in der Pose eines Märtyrers mitten auf die Bühne: die Hände vor der Brust gekreuzt, die Augen auf einen großartigen Horizont gerichtet, so als sähe er die ganze Welt. Er deklamierte laut und mit düsterer Stimme: »...Und in der Tiefe deiner Niedergeschlagenheit kannst du zu mir beten... Und ich werde dir vergeben. Vi Saluto f« Dann warf er den Kopf zurück, hielt das Rasiermesser in der rechten Hand und zog es rasch über seine Kehle. Eine ausholende, dramatische Bewegung von einem Ohr zum anderen. Erst herrschte schreckliches Schweigen, dann murmelte jemand: »O Gott.«
»Es funktioniert, nicht wahr?«
»Du kannst das Blut ja förmlich sehen«, quietschte Don Everard.
»Die Leute werden aufschreien.«
Esslyn grinste. Ihm gefiel die Vorstellung, daß Menschen aufschreien würden. Harold wirbelte herum und überraschte sie alle mit einem befriedigten Lächeln. »Ich wußte gleich, daß es klappen würde«, erklärte er, »schon vom ersten Moment an, als mir dieser Gedanke gekommen ist.«
»Ich glaube wirklich, das ist das Geheimnis unseres Erfolgs«, steuerte Nicholas bei, »ein Mann voller Ideen an der Spitze.«
»Nun ja, das kann ich natürlich nicht selber sagen«, meinte Harold, der genau das zwischen den Zeilen von sich behauptete.
»War es nicht Dierdre«, gab David Smy laut zu bedenken, »die daran gedacht hat?«
»David«, flüsterte Dierdre über den Tisch, »laß gut sein. Es ist doch egal.«
»Es war Dierdre«, entgegnete Harold, »die es ausgesprochen hat. Ich habe aber schon vor Wochen daran gedacht, als die Produktion noch in der Planung war. Sie hat ganz einfach meine Idee über den Äther oder ein ähnliches Medium aufgeschnappt und sie ausgesprochen. Und nun, würden die Inspizienten bitte aufhören, sich aufzuspielen, weil wir nämlich endlich weitermachen müssen...«
Aber die Proben wurden ein weiteres Mal unterbrochen, weil Kitty, die jetzt mit weißem Gesicht an ihrem Ehemann hing, die Arme um seine Hüften geklammert und den Kopf an seine Schulter gelehnt hatte, kreischte: »...Es sah so echt aus... es war so beängstigend...«
»Aber, aber, Kätzchen.« Esslyn tätschelte sie, als wollte er ein verängstigtes Tierchen beruhigen. »Da ist nichts, wovor man sich fürchten müßte. Wie du selbst sehen kannst, ist es vollkommen ungefährlich.« Er ließ einen um Entschuldigung bittenden Blick über ihren Kopf hinweg los.
Also, ich wäre der glücklichste Mann auf Erden, dachte Nicholas, wenn sie mal so spielen würde, wenn sie mit mir auf der Bühne steht. Er blickte zu Kittys Liebhaber hinüber, um zu sehen, wie er auf diese kleine Vorstellung reagierte, aber David setzte seine Unterhaltung mit Dierdre fort und bemerkte nichts davon. Nicholas blickte den Rest der Truppe an. Die meisten wirkten unentschlossen, ein oder zwei waren peinlich berührt, Boris schaute ironisch, Harold ungeduldig. Zu Nicholas’ Erstaunen schienen die Venticellis neidisch zu sein. Er war davon überzeugt, daß es sich hierbei nicht um eine amouröse Verstimmtheit handelte. Trotz ihrer Affektiertheit, ihrer Großspurigkeit und ihrer absolut scheußlichen Unterwürfigkeit konnte sich Nicholas nicht vorstellen, daß sie sexuell an Esslyn interessiert waren. Tatsächlich kamen ihm die beiden eher asexuell vor. Spröde, unberührt und vermutlich mehr daran interessiert, Dummheiten anzustellen, als Liebe zu machen. Nein, Nicholas nahm an, daß die beiden einfach bloß verärgert waren, weil das Objekt ihres Kriechertums so grob und undankbar
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