Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Mitte des Raumes sprang und einen Fanfarenstoß unbegründeten Vertrauens von sich gab.
»Nun, meine Lieblinge, ich weiß, ihr werdet alle hervorragend sein...«
Barnaby machte sich auf und davon. Er ging an den Kulissen vorbei und bemerkte Dierdre, die bereits in der Souffleurecke bereitstand. In dem Licht der Klemmlampe wirkte sie seiner Meinung nach beunruhigt und aufgewühlt. Colin stand neben ihr. Barnaby zeigte ihnen seinen erhobenen Daumen. Dann entdeckte er Nicholas, der hinter dem Bogengang, durch den er seinen ersten Auftritt machen würde, wartete. Das Gesicht des Jungen sah in dem dämmerigen Arbeitslicht fahl aus und war mit durchsichtigen Schweißperlen bedeckt. Er beugte sich vor, nahm ein Glas Wasser vom Boden und trank. Anschließend umklammerte er die Streben des Bogenganges mit zittrigen Händen. Besser du als ich, Kumpel, dachte der Chefinspektor. Er war gerade auf dem Weg zu Reihe C und setzte sich neben seine Tochter, als Harold ankam, die Flügeltür neben der ersten Reihe unnötig schwungvoll auffliegen ließ und sein Gesicht dem Publikum zuwandte, als erwartete er allein aufgrund der Tatsache seiner Existenz Applaus. Dann nahm er in der Mitte der Reihe Platz, und das Stück begann.
Vom allerersten Moment an ging alles schief, und alle machten hinterher die Beleuchtung dafür verantwortlich. Tim und Avery, die jetzt schwitzend in ihrer Kammer saßen, waren derart in ihr Projekt vertieft und verzückt darüber, endlich ihren eigenen Weg zu gehen, daß sie keinen Augenblick an die Wirkung gedacht hatten, die ein ganz neues Lichtspektrum auf die Besetzung haben würde. Die Darsteller wurden langsam und gerieten durcheinander, was man ihnen keineswegs vorwerfen konnte. Sogar Nicholas, der immerhin auf die Veränderung vorbereitet war, geriet aus dem Konzept und fing sich nur mit Mühe wieder. Und seine erste Szene, die voller übler Schimpfwörter war, brachte ihn fast zum Stillstand.
Zunächst nahmen die Bürger Caustons, die wild entschlossen waren, unter Beweis zu stellen, daß man hier genauso avantgardistisch war wie andere Leute auch, diese Schmähreden gelassen hin, aber als Mozart sagte, er wolle den Arsch seiner Frau lecken, stand ein ehrbarer Bürger auf, beschwerte sich laut über diesen »Toilettenhumor« und stampfte nach draußen, mit seiner braven Frau dicht auf den Fersen. Nicholas zögerte, weil er sich fragte, ob er warten sollte, bis sie gegangen waren, oder ob er einfach weitermachen sollte. Seiner Unentschlossenheit half es wenig, daß er Harold klar und deutlich »Bauern« hinter dem Paar herrufen hörte. Als Nicholas jedenfalls wieder in seine Rede zurückstolperte, war jegliches Rabelaische Schwelgen aus seiner Stimme verschwunden. Er fühlte sich gräßlich gehemmt und völlig unsicher, so als hätte er überhaupt nicht das Recht, auf der Bühne zu stehen. Er war sich auch im klaren darüber, daß sich Kitty ohne jede Hilfe an seiner Seite verhaspeln würde und damit Esslyns bissige Vorhersagen einträfen. Nach seinem ersten Abgang stand er hinter den Kulissen, und ihm war schlecht vor Enttäuschung. Er lauschte Salieri, der sich zwar keinen Fehler erlaubte, aber doch etwas hölzern anhörte.
Zum ersten Mal fragte sich Nicholas, was zum Teufel eigentlich in einen erwachsenen Mann gefahren sein mußte, der in nervösen Schweiß getränkt, in lächerlicher Kleidung, das Gesicht mit Schminke verklebt und mit einer blöden Perücke auf dem Kopf darauf wartete, durch eine Leinwandtür in eine Welt zu gehen, die nur eine hauchdünne Verbindung zur Realität hatte. (Hätte er doch nur geahnt, daß solche Gedanken ihn in Zukunft noch Tausende von Malen heimsuchen würden, in genau dieser Form. Und häufig in der erlauchtesten Gesellschaft.)
Der erste Akt wurde nicht besser. Die Kassette mit Salieris Willkommensmarsch in Mozarts Überarbeitung wurde zu früh abgespielt. Glücklicherweise verbarg der Deckel des Flügels, daß Nicholas keine Möglichkeit hatte, zum richtigen Zeitpunkt die Tasten zu erreichen. Wenigstens, so dachte er beim Hinsetzen, bin ich nicht über mein Schwert gestolpert.
In der Serailszene verfing sich Kitty, als sie über die Bühne rannte und ihrem Wolfgang zurief: »Gut gemacht, Pussy-Wussy«, mit einem Fuß in einem Teppich und klammerte sich an den Arm des Kaisers, um nicht hinzufallen. Franz Joseph lachte und steckte damit die anderen an. Nur Esslyn und Nicholas fielen nicht aus ihrer Rolle und blieben ernst.
An
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