Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Barnabys rechter Seite tauchte Cully langsam nach unten ab; ihre Schultern zitterten leicht zwischen den schwarzen Spitzen, und sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Drei Sitze weiter vorn und nach links versetzt saß Doris Winstanley und musterte besorgt ihren Ehemann. Harold schien wie versteinert, seine Lippen waren zusammengekniffen. Dann erstrahlte plötzlich ein Licht, so gleißend, daß für Augenblicke Bühne und Saal darin versanken. Es wurde von der kosmischen Explosion des berühmten Klanges der C-moll-Messe begleitet, dann verblaßte alles wieder zu einem Vorsonnenaufgangsgrau. Esslyn beendete seinen letzten Monolog, stopfte sich den Mund mit Pralinen voll und ging ab.
Barnaby beobachtete, wie Harold den Gang hinauflief, wobei er gleich zwei Stufen auf einmal nahm, dann richtete er sich auf und wandte sich seiner Tochter zu. »Möchtest du etwas trinken?«
»O Daddy«, sagte sie und erhob sich langsam. »Ich hätte das für nichts auf der Welt verpassen wollen. Wie sieht meine Wimperntusche aus?«
»Verschmiert.«
»Kein Wunder. Wir haben letztes Jahr bei den Footlights eine pantomimische Parodie aufgeführt, aber das war ja gar nichts gegen heute abend.« Sie folgte ihm auf den Gang. »Das ist schon eine starke Leistung, wenn du ins Theater gehst, und das Beste auf der Bühne ist die Beleuchtung. Oh... oh...«
»Fang bloß nicht wieder an zu glucksen.«
»Nein, ganz bestimmt nicht...« Sie schnüffelte in ihr Taschentuch. »Ehrlich.«
Als sie auf die Höhe der letzten Reihe und des Ausgangs kamen, bemerkte Barnaby Mr. Tibbs. Er war nach vorn gebeugt und hielt die Lehne des Stuhls vor sich umklammert. Er sah schmuddelig und unwirklich aus, wie ein Heiliger bei seiner Weihung. Barnaby, der ihn schon seit etwa zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte, war schockiert über seinen physischen Verfall. Seine Haut glich einem weißen Papiertuch. Blaue Adern durchzogen seine Stirn. Barnaby grüßte ihn und erhielt als Antwort ein Lächeln von einmaliger Süße, obwohl er sich sicher war, daß der alte Mann nicht wußte, wer da mit ihm sprach. Drei junge Leute, die zwischen Mr. Tibbs und der Wand saßen, versuchten es immer wieder sehr höflich mit »Entschuldigen Sie, bitte«, aber er schien sie weder zu hören noch zu verstehen, und daher kletterten sie über die Sitzreihe vor ihnen und verließen auf diese Weise ihre Plätze.
Der Vereinsraum war gerammelt voll. Cully zog ein Taschentuch und einen Spiegel aus ihrer Handtasche, die mit schwarzen Gagaten besetzt war, spuckte in das Taschentuch und wischte die Rinnsale ihres Mascaras ab. Als Barnaby ihr Wein brachte, nickte sie in Richtung Lichtraum, gegen dessen Tür Harold immer eindringlicher klopfte. Dann legte er die Lippen an die Tür und zischte. Doch die Tür blieb geschlossen. Nachdem er das Lächeln eines erfolgsgewohnten Impresarios wieder auf sein Gesicht gezaubert hatte, trat Harold zurück und begab sich wieder in die Mitte des Raumes, wo Cully seinen Arm packte.
»Ein wunderbares Licht, Harold«, lobte sie. »Brillant. Richten Sie das Tim doch bitte aus.«
»...das... das ist nicht nötig...«, schrie Harold und stotterte dabei wie ein alter Zweitaktmotor. »Tim ist nichts weiter als ein Techniker. Nicht mehr und nicht weniger. Ich setze das Licht in meinen Produktionen.«
»Ach. Tatsächlich?« In Cullys Tonfall schwang trotz aller Höflichkeit eine Spur von Ungläubigkeit mit. Barnaby nahm ihren Arm und zog sie eilig fort.
»Ich hätte dich nicht mitnehmen sollen.«
»Das hast du schon gesagt, als ich fünf war.«
»Und seitdem hast du dich nicht gebessert. Trink aus.« Barnaby schnalzte ärgerlich mit der Zunge, als Cully ihre entzückende Nase in das Glas tauchte und an der Flüssigkeit schnupperte. »Was ist denn daran nun wieder auszusetzen?«
»Nichts. Wenn du Karbol und zerdrückte Bananen magst.«
Sergeant Troy näherte sich mit seiner nachtragenden Frau, und Barnaby zwang sich zu einem Lächeln. »Gefällt es Ihnen, Gavin?«
»Nicht schlecht, finden Sie nicht auch, Sir?« Er sprach zwar mit Barnaby, aber seine Augen ruhten auf dessen Begleitung. »Ich meine, für Amateure.« Er starrte sie weiter an, bis sich der Chefinspektor gezwungen sah, die beiden einander vorzustellen.
»Ihre Tochter.« Barnaby gefiel es, daß Troy sich anscheinend vor den Kopf gestoßen fühlte. Jedesmal, wenn Cully nach Hause kam, war er von neuem erstaunt darüber, daß diese
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