Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
elegante, vergnügungssüchtige Person eine Frucht seiner Lenden sein sollte. »Es wundert mich, daß wir uns nicht schon früher kennengelernt haben, Cully.«
»Ich bin in Cambridge. Letztes Semester.«
Na klar, sagte sich Mrs. Troy und dachte sehr streng über die ungleiche Verteilung der Gaben zur Weihnachtszeit nach.
»Oh, das ist übrigens meine Frau Maure«, stellte Troy vor, und die beiden gaben einander die Hand.
»Maure und weiter?« fragte Cully.
»Troy«, antwortete Maureen mit einem kleinen Funkeln in ihren Augen.
Und erneut lenkte Barnaby seine Tochter am Ärger vorbei. Als sie sich abwandten, stießen sie beinahe mit Tim zusammen, der sich aus seiner Kammer stahl, schnell im Raum umsah und dann die Stufen hinabeilte. Inzwischen war Harold durch die Kulissen gestürmt, hatte dem Bühnenpersonal, das als einziges keinen falschen Schritt getan hatte, Blicke des Abscheus zugeworfen und stand nun in der Herrengarderobe. Er blies sich wie jemand auf, der mächtig Wind machen wollte.
»Niemals... niemals in all den Jahren meines Theaterlebens«, brüllte Harold, »habe ich eine derart groteske AnSammlung von wahnsinniger Inkompetenz gesehen! Von dem absoluten Mangel an Echtheit mal ganz zu schweigen. Ihr habt alle versagt. Außer Salieri.«
»Glaubst du?« entgegnete Nicholas ärgerlich. »Du vergißt mich.«
»Die Beleuchtung hat uns verwirrt«, entschuldigte sich Kaiser Joseph. Unglücklicherweise fügte er hinzu: »So toll sie auch war.«
»Du solltest dich langsam an mein Licht gewöhnt haben!« schrie Harold, rot vor Wut.
Nicholas, dem der Kiefer herunterklappte, starrte seinen Regisseur an. Er hatte sich gefragt, wie Harold wohl auf Tims Affront reagieren würde. Er hatte sich alles von eiskalter sofortiger Entlassung bis hin zum heftigen Wutanfall und ausschreitender Gewaltanwendung vorstellen können. Doch was er auch in hundert Jahren nicht vermutet hätte, war, daß Harold ganz ruhig die neue Beleuchtung akzeptierte und sie als seine eigene ausgab.
»Sag mal, willst du mit deinem aufgesperrten Kiefer etwa Fliegen fangen, Nicholas?« fuhr Harold ihn an. »Ich brauche jetzt wohl nichts mehr zu sagen. Ihr wißt alle, daß ihr mich im Stich gelassen habt. Ja, du auch, Mozart. Du brauchst mich gar nicht so anzuglotzen. Wo ist dein Schwert?«
»Oh.« Langsam dämmerte es Nicholas, wieso er am Flügel nicht darüber gefallen war. »Entschuldige.«
»Eine Entschuldigung langt nicht. Ich will im zweiten Akt von euch allen eine Verbesserung sehen, nein, nicht nur eine Verbesserung, ich will eine Verwandlung. Ihr könnt das. Ich habe doch gesehen, wie wunderbar ihr alle gearbeitet habt. Also geht raus und zeigt ihnen gefälligst, was ihr draufhabt.« Er wirbelte hinaus und einen Moment später hörten sie, wie er den Frauen eine Tür weiter eine Standpauke hielt.
»Das haben wir alle gebraucht«, nuschelte van Swieten. »Mitten in der Premiere eine kleine Aufmunterung von Harry.«
»Dieser Mann ist sich selbst der ärgste Feind.«
»Und stell dir mal diese Konkurrenz vor.«
Boris machte gerade Tee in Plastiktassen, und als er den Kessel schwenkte, fragte er: »Meint ihr, ich soll auch etwas Tee für Esslyn und sein kriecherisches Gefolge machen?«
»Wo stecken die überhaupt?«
»Ich habe ihn zum letzten Mal in den Kulissen gesehen, wie er sich über Joyces Kuchen hergemacht hat. Mein Gott, David, du schusseliger Teufel...«
»Entschuldige.« David Smy riß ein Blatt von der Küchenrolle ab und wischte damit den Tee auf. »Ich hab’ es einfach nicht gesehen.«
»Ich habe mitgekriegt, wie sie alle drei zur Toilette gegangen sind.«
»Oh...« Boris schwenkte seine schlaffe Rechte. »Ein hübsches Dreiergespann, nicht wahr? Ich setze auf Cressida.«
»Niemals. Du kannst ja alles mögliche über Esslyn sagen, aber ich glaube einfach nicht, daß er schwul ist.«
In genau diesem Moment erschienen die drei Besagten in der Tür. Sie standen betont still da; ihre Schatten waren übermächtig, und der überhitzte, stickige Ort schien sich plötzlich radikal abzukühlen. Es war ganz offensichtlich, daß irgend etwas schiefgegangen sein mußte. Die Blicke der Everards zeigten eine verschlagene Erwartungshaltung, und Esslyn, dessen Augen funkelten, ließ den Kopf begierig und forschend vorschnellen. Nicholas kam der Schädel auf einmal irgendwie länger und abgeflachter vor. Das Haupt einer Schlange.
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