Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
tropfte, und man vernahm einen dumpfen, weichen Klang. Bereits jetzt, wenige Minuten nach Beginn dieser peinlichen und leicht lächerlichen Begegnung, litten Rosas Nerven. Sie stand da, und ihr fiel nichts ein, was sie noch hätte sagen können. Sie hatte ohnehin das Gefühl, daß es keinesfalls an ihr war, etwas zu sagen. Sie hatte erklärt, weshalb sie gekommen war, und damit bei Kitty einen Anfall grotesker Heiterkeit hervorgerufen. Nun mußte ihr Kitty entweder dieses Benehmen erklären oder das Gespräch beenden.
Rosa zwang sich, diesem tiefen Saphirblick standzuhalten. Von Fröhlichkeit war nichts mehr zu erkennen. Tatsächlich, schoß es ihr durch den Kopf, als sie jetzt darüber nachdachte, hatten diese unbändigen Schreie ohnehin jeglichen Humor vermissen lassen. In ihnen lag vielmehr eine... eine frohlockende Aggression. Ja! Das war es. Dieses Gekreische hatte so etwas wie Triumph signalisiert. Als sei Kitty bereits siegessicher, noch ehe sie ihre Kampflinien überhaupt abgesteckt hatten. Aber wieso triumphierte sie ? Vermutlich, dachte Rosa, und diese Demütigung versetzte ihr einen Stich, aufgrund der Tatsache, daß Esslyns erste Frau als Bittstellerin vor ihr stand. Was für eine Geschichte für die Garderobe. Rosa konnte es jetzt schon hören. »Darauf kommt ihr nie. Die arme, alte Mrs. Ernest hat mir doch tatsächlich einen Besuch abgestattet, weil sie das Baby großziehen will. Wenn das nicht zum Schreien ist. Die hat es zu spät werden lassen, um ein eigenes zu kriegen. Soviel Dummheit gehört doch bestraft.«
Nun ja, sagte sich Rosa, das alles hatte sie sich selbst eingebrockt. Als sie sich jetzt Kittys Spott und Hohn in allen Einzelheiten ausmalte, mußte sie sich natürlich fragen, wieso sie sich diesem lachhaft schlecht durchdachten Einfall auch nur eine Minute lang hatte hingeben können, ganz zu schweigen davon, daß sie es soweit hatte kommen lassen, Kitty tatsächlich aufzusuchen und ihr diese Frage zu stellen. Wieso um alles in der Welt, fragte sich Rosa, die nun ganz den Advokaten des Teufels spielte, wollte sie zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens ein Kind haben? War doch der gute Ernest, der selbst drei Kinder großgezogen hatte, zwar in seine Enkelkinder vernarrt, doch empfand er seinen Kontakt zu ihnen, nämlich die halbe Stunde in der Woche, in der er mit ihnen herumtollte und sie liebevoll verhätschelte, als absolut ausreichend. Wie wäre er damit zurechtgekommen? Aber es war zwecklos, jetzt noch zu jammern und zu klagen, sagte sie sich unerschrocken. Was bereits geschehen war, ließ sich jetzt nicht mehr rückgängig machen. Der einzige Weg, der ihr nun noch offenblieb, bestand darin, mit soviel Würde, wie nur irgend möglich, den Rückzug anzutreten. Und genau das hatte sie gerade vor, als Kitty die Tür schloß.
Das Klicken hörte sich sehr laut an. Und auch reichlich endgültig. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, blieb sie dort stehen und lehnte sich in einer Form dagegen, die Rosa wie eine Drohung vorkam. Und dann lächelte sie. Es war ein furchtbares Lächeln. Ihre schmale Oberlippe mit diesem köstlich lasziven Schwung zog sich nicht in die Breite. Sie hob sie eher in der Art eines böswilligen Tieres und entblößte ihre spitzen, scharfen Schneidezähne. Das Licht gab ihnen einen schimmernden Glanz. Sie sahen gefährlich scharf aus, und sie funkelten. Dann hörte sie auf zu grinsen, und das war noch schlimmer. Rosa, die sich vom Anblick dieser alarmierend weißen Zähne einen Moment lang hatte ablenken lassen, beging nämlich den Fehler, in Kittys Augen zu sehen. Strahlend azurblaues Eis. Unmenschlich. Plötzlich war die Luft im Raum dick und von Angst erfüllt. Und in diesem Augenblick wurde es Rosa klar. Sie wußte von einer Sekunde zur anderen ganz genau, daß es sich bei all diesem Geplänkel, den Unterstellungen und den halbseriösen Theorien, die sie im Vereinshaus gehört hatte, um nichts anderes als schlichte Tatsachen handelte. Und daß sich Kitty ihren Mann wahrhaftig vom Hals geschafft hatte, um an sein Geld zu kommen und ihre Freiheit wiederzuhaben. Und daß sie, Rosa, jetzt allein mit einer Mörderin war.
Rosa wurde plötzlich bewußt, daß sie ihren Atem angehalten hatte. Jetzt stieß sie ihn ganz vorsichtig wieder aus, als könnte selbst ein so leiser Laut Kittys Aufmerksamkeit erregen und bei ihr einen schlummernden Impuls zum Töten aktivieren. Rosa versuchte nachzudenken, aber sämtliche Gehirnleistungen schienen zum Erliegen gekommen
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