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Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder

Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder

Titel: Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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nicht nur arm und etwas instabil oder ab und an ein wenig anfällig. Er war senil und stellte eine Gefahr für sich selbst und andere dar; das Gleichgewicht seines Gehirns war gestört. Dierdre hatte plötzlich die Vision von einer altmodischen Waage und einer unpersönlichen Hand, die mit einer kleinen Messingschaufel runde Körner Gesundheit in eine Schale rieseln ließ. In die andere Schale ergoß sich der heiße, dunkle Fluß der Irrationalität, bis die Schale überfloß und der Strom die blassen Körner erst überschwemmte und dann in den schwarzen Strom des Wahnsinns fortspülte.
      Dierdre senkte ihren Kopf. Sie schwankte und mußte einen Moment um Atem ringen. Aber sie setzte sich nicht hin. Und sie weinte auch nicht. Sie stand volle fünf Minuten in einem Aufruhr aus Elend und Kummer da und fing dann an, das Bett abzuziehen und die Tücher und Bezüge zusammenzufalten. Sie öffnete das Fenster, und als die kalte Luft hereinströmte, bemerkte sie erst, wie stickig es in dem Zimmer war. Da sie um die Gesundheit ihres Vaters besorgt gewesen war, hatte sie das Fenster ab Oktober immer geschlossen gehalten. »Das wird die Spinnweben fortblasen«, hatte er immer gesagt, wenn sie es dann im Mai wieder öffnete. Nachdem sie das Bettzeug zu einem kleinen Stapel zusammengelegt hatte, nahm sie den Papierkorb und warf all die Fläschchen, Pillen und Tablettenfolien zusammen mit der Karaffe und dem Glas hinein. Die Bibel schlug sie zu und stellte sie anschließend ins Bücherregal.
      Sie arbeitete mechanisch und machte sich keine Illusionen, daß ihre Aktivität die Situation irgendwie erleichtern oder verändern würde. Aber (was das betraf, hatte der Sozialarbeiter recht) als sie damit fortfuhr, eine einfache Aufgabe nach der anderen zu erledigen, entwickelte sie ihren eigenen Schwung, und sie wurde sich darüber klar, daß dieses Vorgehen sie zumindest ein klein wenig tröstete. Und, was noch wichtiger war, es erleichterte ihr die Phase, vor der sie sich am meisten gefürchtet hatte, die erste Zeit allein in der Mortimer Street.
      Sie schüttelte die beiden Bettvorleger im Garten aus und bemerkte, wie abgenutzt der dunkelrote türkische mit dem blauen Muster schon war. Sie rollte die Teppiche zusammen und stopfte sie in die Mülltonne. Dann trug sie die Bettwäsche nach unten und legte sie neben die Eingangstür. Sie würde die Laken und Bezüge waschen und dann zur Heilsarmee bringen. In der nächsten Stunde war sie ausschließlich damit beschäftigt, zu putzen und zu wischen, bis das ganze Zimmer glänzte und nach Bohnerwachs und Fensterreiniger roch. Sie packte Mr. Tibbs’ Haarbürste mit dem Schildpattgriff zusammen mit dem Kamm und dem ledernen Man-schettenknopfetui in eine Kommodenschublade. Dann lehnte sie sich gegen das Fensterbrett und seufzte mit einem klitzekleinen Anflug von Befriedigung.
      Das Zimmer sah jetzt sauber und ordentlich aus. Einem zufälligen Besucher wäre es sehr unpersönlich vorgekommen. Dierdre beendete ihre Arbeit damit, daß sie den Staub von den Bildern wischte. Es waren zwei Corot-Reproduktionen, die von einem Text (VERTRAUE DEM HERRN) umgeben waren, und ein Bild von Stiefmütterchen und Weizenähren. Dann gab es noch Das Liebt der Welt. Dierdre wedelte den Staub von den ersten drei Bildern in situ ab, dann nahm sie das Gemälde von Holman Hunt von der Wand und betrachtete es nachdenklich. Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte diese Figur ihr Trost gespendet, wenn sie Sorgen und Kummer hatte. Wenn sie schlief, war diese Gestalt ihr liebender Wächter gewesen, aber nun kam es ihr so vor, als sei darauf bloß ein sentimentaler Träumer abgebildet, ein ohnmächtiger Erlöser, der in einer Flut aus fadem, gelbem Licht stand. Sie kämpfte gegen das Mitleid an, das sie früher immer ergriffen hatte, wenn sie die Dornenkrone sah; sie kämpfte gegen den falschen, heimtückischen Trost.
      Dierdre rannte die Treppe hinunter, hielt das Bild beinahe auf Armeslänge von sich weg, eilte durch die Küche in den Garten, hob ein weiteres Mal den Deckel der Mülltonne und ließ Das Licht der Welt hineinstürzen. Nachdem sie den Deckel wieder auf die Tonne gelegt hatte, wandte sie sich sofort ab, so als könne der sanfte, vergebungsvolle Blick sich durch das Metall bohren und sie treffen. Sowie sie wieder nach oben ging, ließ die positive Energie, das ermutigende Gefühl, daß sie ihre Aufgabe gut machte, nach und fiel von ihr ab. Als sie dann den kahlen Raum sah, aus dem sie alle

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