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Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende

Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende

Titel: Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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keine.
      In Wahrheit suchte Janet natürlich einen Brief. Davon gab es weit und breit keine Spur. Nicht einmal ein paar Papierschnipsel, die einem, nachdem man sie zusammengesetzt hatte, eine Adresse verrieten. Auch im Adreßbuch, das im Büro lag, stand nichts. Nach telefonischer Anmeldung war Trixie übers Wochenende zu Besuch gekommen und nicht wieder gegangen, nachdem eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden worden war.
      Die Intensität ihres Leids setzte ihr genauso stark zu wie das Leiden selbst. Wie hatte sie es zulassen können, an solch einen Punkt zu gelangen? Die Entwicklung war heimtückisch vonstatten gegangen. Anfänglich hatte sie Trixie nicht mal gemocht. Das Mädchen war ihr oberflächlich und dumm vorgekommen. Sie beide hatten nichts gemein gehabt. Dann, peu ä peu, hatte sie begonnen, die jüngere Frau zu bewundern, und sie schließlich um ihre heitere Natur beneidet. Um ihre Selbstsicherheit und ihre Schlagfertigkeit. Janet, bei deren Erziehung man großen Wert auf höfliche Zurückhaltung gelegt hatte, litt permanent unter ihrer Gehemmtheit und darunter, daß ihre guten Manieren ihr verboten, mit der Sprache rauszurücken.
      Ziemlich früh war ihr aufgefallen, daß Trixie keine wahre Sucherin war. Daß sie sich nicht sonderlich für eine andere Bewußtseinsebene interessierte. Sie hatte meditiert, hatte ein paar Unterredungen mit dem Meister gehabt und bei quasireligiösen Diskussionen hin und wieder ein paar ehrerbietige Bemerkungen fallenlassen, aber Janet wußte, daß sie nicht mit dem Herzen dabei war. Irgendwann war sie zu der Überzeugung gekommen, daß Trixie nur das Nötigste tat, um einen Fuß in der Tür zu behalten. Häufig hatte Janet das Bedürfnis verspürt, sie zu fragen, aus welchem Grund sie auf Manor House lebte. Aus Mangel an Mut war es jedoch nie dazu gekommen. Trixie behauptete immer, daß ihr Neugierde verhaßt war.
      Am Schminktisch sitzend und die frischen Rosen in der Vase betrachtend, war Janet ganz krank vor Sehnsucht. Erneut zog sie die oberste Schublade heraus und inspizierte das, was von Trixie übriggeblieben war. Eine halbvolle Packung Tampax, ein rosa Angorapulli, der unter den Achseln roch, und ein paar Bahnhofsschmöker, schlecht geschrieben und recht pornographisch (Janet hatte ein paar Seiten überflogen). Spätestens auf Seite sieben hatte jeder seine Unschuld verloren.
      Janet zählte eins und eins zusammen. Furcht mußte Trixie dazu getrieben haben abzuhauen. Diese Angst hatte irgend etwas mit Guy Gamelin zu tun. Noch im Tod besaß dieser monströse Mann die Macht, Schaden anzurichten. Janet stellte sich vor, wie Trixie allein und verängstigt auf der Flucht war. Hatte sie Geld? Würde sie per Anhalter reisen? Nicht nach all den schrecklichen Geschichten, die einem zu Ohren kamen. Irgendwann zwischen halb elf und zwölf mußte sie weggegangen sein. Wahrscheinlich hatte sie sich mit ihrem Koffer mit den blauen Rollen durch die Halle geschlichen, während Janet nur ein paar Meter weiter in der Küche zugange gewesen war.
      O Gott!
      Sie sprang vom Stuhl auf und schlang die Arme fest um ihren Brustkorb. In diesem Augenblick brauchte Trixie ihre Freundschaft mehr denn je. Janet hatte soviel zu geben. Sie konnte spüren, wie es wie ein großer, schwerer Klumpen dort lag, wo eigentlich ihr Herz hätte sein müssen. Ihr ganzes Leben lang schien sie ihn mit sich herumgetragen zu haben, und von Tag zu Tag wurde er schwerer.
      Plötzlich fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild. Ihre Haare standen wild ab, die Haut spannte sich über ihrer Hakennase. Als ihr dämmerte, daß Trixie womöglich nie wieder zurückkehren würde, spürte sie einen dicken Kloß im Hals. Wurde sich des Verlustes erst richtig bewußt. Das Ausmaß ihrer Qualen zwang sie fast in die Knie. Sie hatte das Gefühl, in Zukunft in unerträglichem Zwielicht leben zu müssen, ohne jemals die Schönheit eines strahlenden Tages kennengelernt zu haben.
      Vor einiger Zeit hatte sie mal gelesen, daß die Intensität eines wirklich starken Gefühls alle Erinnerungen auszulöschen vermochte. Janet bildete sich ein, das Vergessen ertragen zu können. Ihre Liebe zu Trixie war einem dumpfen Schmerz vergleichbar, ähnelte einer verlorenen Erinnerung. Diesem Bild haftete etwas Sauberes, Strenges an. Mit Sicherheit zu wissen, daß man niemals Trost fand, war auch ein Trost. Sie würde allein bleiben und das unbeugsame, zutiefst unbefriedigende Epigramm in Erinnerung behalten, daß man im Leben

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