Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
hatte nicht gehalten.’ Es gab keinen Zweifel daran, daß alles in rasendem Tempo auseinanderfiel.
Heather reichte ein großes Glas Honig herum und schilderte Janets Unfreundlichkeit, sorgsam darauf bedacht, nicht den leisesten Hauch von Kritik anklingen zu lassen.
»Ich merkte schon, daß sie sich aufregte... und ich wollte ihr doch nur Beistand leisten - wißt ihr? Sie auf angenehmere Gedanken bringen. Nichts da - sie hat sich einfach von mir abgewandt.« Als sie Kens Honig auflöste und ihm die Tasse brachte, stand in Heathers kleinen Augen das Wasser. Ken nickte ihr dankbar zu und drückte die Hand seiner Frau. Heute morgen war seine Nase ein wenig abgeschwollen und nicht mehr ganz so rot, sondern braungelb. Die kleinen Schnitte heilten gut ab.
»Ich nehme mal an«, sagte May, »sie macht sich Sorgen um Trixie.«
»Gewiß doch«, stimmte Heather zu. »Und das verstehe ich auch. Oder versuche es wenigstens. Das Problem ist, daß ich schon immer langweilig und normal gewesen bin.« Dieser kapriziöse genetische Irrtum entlockte ihr einen Seufzer. Sie und Ken tauschten normale und unerhört langweilige Blicke aus. »Aber als sie mir dann vorwarf, keine Heilerin zu sein -«
»Keine Heilerin?« Das Bein rutschte beinahe von der Metallstütze.
»Ich weiß.« Heather rang sich ein Lächeln ab. »Ich war kurz davor, ihr etwas Gehässiges an den Kopf zu werfen.«
»Ich bin sicher, daß Janet nicht unfreundlich sein wollte«, meinte Arno. »Im Augenblick stehen wir alle unter großer Anspannung. Ich persönlich mache mir große Sorgen um Tim.«
Der Junge hatte sich extrem verändert. Nur Arno durfte sein Zimmer betreten, allen anderen blieb die Tür verschlossen. Tim weigerte sich, die Vorhänge mehr als einen Spaltbreit aufzuziehen. In dem spärlich einfallenden Licht konnte Arno erkennen, wie schlimm es inzwischen um Tims Geisteszustand bestellt war. Der Schlaf und das Weinen ließen seine normalerweise straffe Haut aufquellen. Seine geröteten Wangen waren stets tränenbenetzt und wiesen tiefe Furchen auf, wo die Matratze sich abdrückte. Seine Augenlider waren gelbverkrustet. Der Anblick des Jungen schockierte Arno.
Als Arno versuchte, das verschwitzte Kopfkissen neu zu beziehen, mußte er Tims Finger einen nach dem anderen lösen, um diese Aufgabe zu bewältigen. Mit seinen langen und knochigen Fingern umklammerte der Junge panisch seinen Arm. Geduldig hatte Arno sich auf den Bettrand gesetzt und ihm im Flüsterton gut zugeredet.
»Es ist alles in Ordnung... mach dir keine Sorgen. Du bist in Sicherheit, Tim. Verstehst du mich?« Er machte eine Pause, in der Tim die Augen verdrehte, als fürchte er sich vor jedem Schatten, jeder Zimmerecke. »Niemand ist hier. Niemand wird dir weh tun. Kannst du mir nicht sagen, wovor du dich fürchtest?« Diesmal schwieg er länger und strich mit der Hand über Tims heiße Stirn. »Es würde ihm nicht gefallen, dich so zu sehen.«
Bei diesen leise formulierten Worten stieß Tim eine Reihe verunsicherter, erstickter Laute aus. Besorgt und beunruhigt, weil es ihm nicht gelang, den armen Jungen zu trösten, reagierte er verzweifelt. »Du machst dir doch keine Gedanken um die Zukunft, oder? Gestern habe ich dir zu erklären versucht, daß May und mir nun das Haus gehört. Wir werden uns immer um dich kümmern. Der Meister hat dich unserer Obhut überlassen. Er hat dich geliebt, Tim...«
»Findest du nicht, Arno«, holte Mays Stimme ihn in die Gegenwart zurück, »daß wir uns mit jemandem aus dem Krankenhaus unterhalten sollten?«
Mit offenem Mund warfen sich Ken und Heather konsternierte Blicke zu. Niemals hätten sie erwartet, solch verräterische Worte auf Windhorse zu vernehmen. Jedes allopathische Mittel, angefangen von einem milden Analgetikum bis hin zu lebenserhaltender Chirurgie, erregte ihre Skepsis. Gestern waren sie beide wie vor den Kopf geschlagen gewesen, als sie von der tödlichen Krankheit des Meisters und der Behandlung, der er sich unterzogen hatte, erfahren hatten. Selbst jetzt fiel es ihnen schwer zu glauben, daß er sich von ihnen abgewandt und nicht ihre heilenden Fähigkeiten in Anspruch genommen hatte.
»Ich denke, er wird sich hintergangen fühlen«, meinte Arno und litt darunter, anderer Meinung als seine Angebetete zu sein, »falls wir das tun. Womöglich wird er uns in Zukunft nie mehr vertrauen.«
»Ich verstehe«, meinte May. »Auch ich hasse es, professionelle Hilfe zu holen.
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