Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
Andererseits können wir nicht zulassen, daß er sich ewig dort oben versteckt. Ach - wäre nur der Meister hier.«
»Er wird wieder auf die Erde zurückkommen, May«, rief ihr Ken zu.
Trotz der Festigkeit seiner Stimme schien seine Versicherung in der Luft zu schrumpfen und keinen Trost zu spenden.
In der Zwischenzeit hatte sich Janet über ihren Köpfen auf der gepolsterten Fensterbank zusammengekauert und den blauen Umschlag aus der Tasche gezogen; mit zittrigen Fingern hielt sie ihn hoch. Ein Poststempel aus Slough. Männliche Schrift (wen wunderte das?), die keine besonders starke Hand verriet. Und wieso war sie sich dann so sicher, daß der Absender ein Mann war? Oder entsprang ihre Überzeugung nur ihrer Eifersucht, ihrer Ablehnung?
Vielleicht täuschte sie sich. Vielleicht war der Brief (alle Briefe) von Trixies Mutter oder Schwester. Oder einer Freundin. Aber wer immer sie geschrieben hatte, mußte ihr nahestehen. Nur jemand, der einem nahestand, schrieb so häufig. Sollte diese Person Trixie nahestehen, wußte sie sicherlich, wohin sie gegangen war. Janet begann den Brief aufzureißen, hielt dann aber inne.
Was, wenn diese Person, die regelmäßig Briefe schrieb, darauf verzichtet hatte, eine Adresse anzugeben? In dem Fall wäre sie umsonst in Trixies Privatsphäre vorgedrungen. Letztendlich war das die einzige Motivation, den Brief zu öffnen. Um mit Trixie in Verbindung zu treten und sie zur Rückkehr zu überreden. Sie mußte erfahren, daß sie als Zeugin in einem Mordfall Schwierigkeiten bekam, wenn sie einfach so davonlief. Janet rechnete sogar damit, daß die Polizei schon eine Beschreibung von ihr in Umlauf gebracht' hatte. Als Freundin war es ihre Pflicht, Trixie zu suchen und sie zur Heimkehr zu bewegen, oder nicht? Selbstverständlich würde sie den Brief nicht lesen. Sie riß den Umschlag auf und zog ein einzelnes Blatt Papier heraus.
Geliebte Trixie, Du wirst es kaum glauben - ich selbst kann es kaum fassen - aber Hedda ist weg. Es ist wahr. Ruf mich an oder komm einfach. Ich liebe dich. In Liebe, V.
Janet drückte das Blatt mit der Schrift nach unten auf ihr Knie. Ihr war eiskalt vor Schock. Unerträgliche Einsamkeit übermannte sie.
Darum war Trixie also weggerannt. Um mit diesem Mann - diesem V - zusammenzusein, der sie schlecht behandelt hatte und dies zweifellos auch in Zukunft tun würde. Janet hatte über Frauen gelesen, die stets zu ihren Ehemännern zurückgingen, die sie schlugen. So ein Verhalten war ihr völlig schleierhaft. Niemand hatte jemals Janet geschlagen, und sie hätte schwören können, sie würde weglaufen und keinen Blick zurückwerfen, sollte so etwas jemals geschehen.
Sie dachte an den Tag, als Trixie zum ersten Mal hier aufgetaucht war. Mit beängstigenden blauen Flecken an Kinn und Hals, mit grellroten Fingernagelstriemen auf der Haut. Die Erinnerung ließ Janet am ganzen Körper erschaudern. Etwas später hatte sie sich wieder beruhigt und saß die meiste Zeit stumm und reglos da.
Nach einer Weile heftete sich ihr Blick widerwillig auf das Blatt Papier. Da war eine Adresse. Seventeen Waterhouse. Höchstwahrscheinlich in Slough. Wenn sie nicht dort ist, dachte Janet, bin ich verloren. Und selbst wenn sie dort ist, habe ich auch nicht viel, womit ich etwas anfangen kann. Kein Stadtteil, nichts. Möglicherweise konnte ihr das Postamt behilflich sein.
Janet zwang sich, die kurze Nachricht wieder und wieder durchzulesen, dem Prinzip folgend, daß jedes Wort oder jede Wortreihe laut gesprochen oder genauer betrachtet einen Sinn ergeben könnte, daß die Worte die Macht hatten, ihr weh zu tun. Sie konnte nicht ernsthaft behaupten, daß das hier der Fall war. Obgleich sie noch Eifersucht und Schmerz spürte und ihre Hand leicht zitterte, wurde sie zusehends ruhiger. Ganz allmählich gelang es ihr, die Sache rational zu sehen.
Wieso ging sie ganz selbstverständlich davon aus, daß »V« ein Mann war? Klar, Trixie (oder - vulgärer - Trix) war die »Geliebte« des Schreibers, aber was sagte das schon? Nicht mehr als starke Zuneigung. Kein Grund, ein romantisches Interesse zu unterstellen. Dasselbe galt für die letzte Zeile. Wer setzte heute kein »Ich liebe dich« ans Ende eines Briefes? So verfuhren sogar Bekannte. Dann war da noch die Wiederholung, was womöglich nur bedeutete, daß der Schreiber ein enthusiastischer Charakter war.
Je länger Janet über den Text nachdachte, desto klarer sah sie alles. Bei
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