Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
war, kam dann aber zu der Überzeugung, daß Sylvie es ihm übelnehmen würde, und richtete ein paar versöhnliche Worte an alle und niemand besonderen.
»Ich denke, Sie hätten gern einen Drink.«
May führte ihn zu einer Anrichte mit zwei Glaskrügen. Einer war randvoll mit einer hellroten Flüssigkeit, der andere, schon halb leer, enthielt etwas Teichgrünes. Die Regel befolgend, daß die Eingeborenen immer am besten wissen, was gut schmeckt, neigte Guy zu dem Krug mit dem grünen Getränk.
»Nun«, sagte May mit der Handbewegung einer Zauberin. »Was darf es sein?«
»Was am stärksten ist.«
»Die Haferpflaume strotzt nur so vor Kalzium. Wenn Sie die Rübenblätter nehmen, kriegen Sie etwas Jod, eine Menge Vitamin C und eine ordentliche Menge Magnesium.«
»Ich meinte den stärksten Alkohol.«
»O Gott.« Verständnisvoll tätschelte sie seinen Arm. »Brauchen Sie dringend einen Schluck Alkohol? Das erklärt den aurischen Rückstand. Keine Sorge«, sagte sie und füllte einen Tonbecher, »es ist nie zu spät. Vor ein paar Monaten hatte ich hier einen Alkoholiker. War kaum in der Lage aufzustehen, als er hier neu war. Ich habe ihn gependelt, mit ihm über dem violetten Arturusstrahl gearbeitet, seine Chakras gereinigt und ihn gelehrt, die Sonne zu grüßen. Wissen Sie, wo der Mann heute ist?«
Guy fiel auf, daß er seinen Flachmann im Wagen liegengelassen hatte. Die grüne Flüssigkeit schlürfend, folgte er seiner Gastgeberin. Das Gebräu schmeckte besser, als es aussah, was aber nicht viel hieß. Es freute ihn zu sehen, daß der Platz neben Sylvie frei war. Sofort steuerte er auf diesen Stuhl zu, wurde aber von May behutsam in eine andere Richtung gelenkt, an einen Platz geführt, ehe sie sich neben seine Tochter setzte.
Er rief ihr hinterher: »Kann ich nicht dort sitzen...« Die Frau zu seiner Rechten unterbrach ihn.
»Jeder von uns hat einen bestimmten Platz. Das ist so unsere Art hier. Ein Hauch von Disziplin. Sie nehmen den Platz des Besuchers ein.«
Guy musterte sie voller Ablehnung. Ein fliehendes Kinn, langes graues Haar, das mit einem bunten Tuch nach hinten gebunden war, vorstehende Augen, die ernst dreinblickten. Sie trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck »Universelle Seele: Die einzige Wahl« und hatte keinen BH an. Ihre großen Brüste mit den hervorstehenden Brustwarzen reichten fast bis zur Taille. Der Mann, der ihr gegenübersaß und den Platz am Tischende einnahm, trug einen Schäferrock. Er reichte Guy eine Platte mit Kuhfladen.
»Gerstenkuchen?«
»Warum nicht?«
Mit einem gezwungenen Lächeln nahm Guy zwei Stück und inspizierte die anderen Gerichte. Ein grauenvoller Anblick. Noch mehr Krüge mit Chateau-Ekelhaft, Berge von mit schwarzbraunem Kleister bestrichenem Brot und eine Schüssel mit einer klebrigen Pampe, in der aufrecht ein Löffel steckte, als sei er vor Schreck erstarrt.
Griesgrämig dachte Guy an die Speisekarte in seinem Zimmer im Chartwell Grange. Fritierter Thwaite Shad auf einem Mandelreisbett mit englischen Pilzen und neuen Kartöffelchen. Nach diesem göttlichen Mahl wurde entweder ein Korb mit knackigen Cox-Orange-Äpfeln, herzhafter Fenland-Sellerie oder Tarte Judy gereicht, je nach Geschmack oder Appetit des Gastes. Was ich alles aus Liebe über mich ergehen lasse, fuhr es Guy durch den Kopf. Er warf seiner Tochter einen Blick zu, hoffte auf ein Lächeln von ihr.
Sylvie war in einen wunderhübschen apfelgrünen und roten Sari gehüllt. Mit ihrem ernsten jungen Gesicht, auf dessen Stirn ein frischer roter Punkt prangte, und ihrem staubigen Haar wirkte sie auf ihn wie ein Schulkind, das bei einer Theateraufführung falsch besetzt war. Er konnte nicht fassen, daß sie an diesen quasireligiösen Unfug glaubte. Sie saß neben einem jungen Mann mit langen dunklen Haaren, der sich wiederholt mit sanfter Intimität an sie wandte und ihr ins Ohr flüsterte. War er der »wunderbare Mann«, wegen dem sie London den Rücken gekehrt hatte? Falls dem so war, war er ihr gegenüber im Vorteil.
Guy bemerkte sein verlogen sanftes Lächeln. Wahrscheinlich ein Mitgiftjäger. Das Mädchen war von diesen blutrünstigen Geiern umzingelt. Wie paradox seine Schlußfolgerung war, die da lautete, daß seine Tochter, die er nur um ihretwillen liebte, von anderen nur geliebt wurde, weil sie nach ihrem Vermögen trachteten, fiel ihm nicht auf.
Voller Elan machte sich May über den Inhalt einer flachen Zinnschale
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