Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
vorgehen wollte, ging nicht weiter darauf ein, und erwähnte nicht, daß Gray Patterson »gegen acht« bei ihr vorbeigeschaut und festgestellt hatte, daß sowohl Sarah als auch ihr Auto nicht da waren. Solche Überraschungen würde er sich für die zweite Runde aufsparen. Statt dessen kam er auf den Tod von Alan Hollingsworth zu sprechen und fragte, wie gut sie den Mann gekannt habe.
»Das haben Sie mich schon mal gefragt.«
»Helfen Sie meinem Gedächtnis nach, Miss Lawson.«
»Ich hab ihn überhaupt nicht gekannt.«
»Dann würde ich meinen, daß Ihre Reaktion auf seinen Tod ziemlich ungewöhnlich war.«
»Als Sie sagten, daß die Sache verdächtig sei, war ich schockiert. Wenn man plötzlich in einem Gespräch mit einem Verbrechen konfrontiert wird, kann das diese Wirkung haben. Vielleicht bin ich da übersensibel.«
Das konnte schon sein. Barnaby erinnerte sich, wie heftig sie darauf reagiert hatte, als sie erfuhr, daß Hollingsworth seine Frau körperlich mißhandelt hatte.
»Als Mrs. Hollingsworth Sie für jenen Donnerstag, an dem sie verschwand, zum Tee einlud, nannte Sie da irgendeinen Grund, warum sie ausgerechnet diesen Tag vorschlug?«
»Eigentlich nicht.«
»Vielleicht war das der einzige Tag, an dem Sie konnten?«
»Nein. Ich habe jeden Nachmittag frei, außer mittwochs.«
»Was meinen Sie, warum sie Sie zur gleichen Zeit eingeladen hat, zu der sie auch einen Friseurtermin vereinbart hatte?«
»Ich würde sagen, sie hat’s einfach vergessen. Simone war manchmal ein bißchen schusselig.«
»Und an jenem Abend, Miss Lawson«, fuhr Barnaby fort, »was haben Sie da gemacht?«
»Was ich immer mache. Ein bißchen gelesen, Musik gehört, im Garten herumgewerkelt.«
»Dann war das also nicht der Abend, an dem Sie den Film gesehen haben?« gab Sergeant Troy zu bedenken.
»Nun ja, der könnte es auch gewesen sein. Ich weiß wirklich...«
»Sie können sich nicht erinnern?«
»Hören Sie, dauert das noch lange?« Während der letzten Minuten hatte sich ihr Atem verändert. Er war jetzt so rasch und flach, daß sie beinah zu keuchen schien. Barnaby fragte, ob sie ein Glas Wasser wolle, doch sie lehnte ab. »Sobald ich hier raus bin, geht’s mir wieder gut.«
»Als nächstes hätte ich ein paar Fragen zu dieser Wohnung in High Wycombe«, sagte der Chief Inspector. »Soweit ich weiß, haben Sie dem College erklärt, Sie brauchten sie für einen Cousin, der aus den Staaten zu Besuch käme.«
»Das stimmt.«
»Und entspricht das der Wahrheit?«
Ihre Augen wanderten ständig in dem Betonkabuff herum, suchten jede Ecke ab und schweiften über Fußboden und Decke. Und wie zum Schutz schien sie in sich selbst zu versinken. Als ob der Raum eine körperliche Bedrohung darstellte.
»Miss Lawson? Entspricht das der Wahrheit?«
»Warum sollte ich so etwas erfinden?«
»Könnten Sie mir dann bitte ein paar Einzelheiten nennen?«
»Was meinen Sie mit Einzelheiten?«
»Damit meinen wir«, sagte Sergeant Troy, »den Namen Ihres Cousins, seine Adresse und Telefonnummer.«
»Er... reist viel herum. Zieht häufig um. Normalerweise warte ich, bis er sich mit mir in Verbindung setzt.«
Barnaby legte eine Pause ein, die lang genug war, um seine Ungläubigkeit unmißverständlich deutlich zu machen. Er war ehrlich überrascht über eine so erbärmliche Ausrede. Sie hatte doch Zeit genug gehabt, um sich etwas Glaubwürdigeres auszudenken als einen mysteriösen Verwandten aus Amerika.
Troy, der seinem Boss anmerkte, was in ihm vorging, lehnte sich nur gegen die Wand und schüttelte seufzend den Kopf. Obwohl er seinen Spaß hatte, war er dennoch genau wie Barnaby etwas enttäuscht über diesen mangelnden Einfallsreichtum. Was hatte es denn mit dieser ganzen Kreativität auf sich, wenn man noch nicht mal eine richtig gute Geschichte erfinden konnte?
»Sie behalten also die Wohnung, bis Sie von Ihrem Cousin hören?«
»Ja.« Aus irgendeinem Grund brachte diese Frage, die nur flüsternd beantwortet wurde, Sarah fast zum Weinen.
Barnaby wartete, nicht um ihr Gelegenheit zu geben, sich zu fassen, sondern weil er nicht genau wußte, wie er diesen eindeutig schwachen Punkt ausnutzen konnte. Die Tatsache, daß er nur durch eine Lüge ans Licht gekommen war, half auch nicht weiter. Schließlich sagte er: »Als wir uns getroffen haben, haben Sie doch nach jemandem Ausschau
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